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Analyse der musikalischen Kategorien bei den Oscars 2013: Ein Jahr voller raffiniert vermischter Einflüsse

Momentan vergibt die Academy of Motion Picture Arts & Sciences zwei Auszeichnungen für Musik: Beste Filmmusik (Best Original Score) und Bester Song (Best Original Song). Vielleicht mag es überflüssig wirken darauf hinzuweisen, aber das war nicht immer so. Erst 1998 gab es noch separate Kategorien für Beste Filmmusik in einem Drama bzw. Beste Filmmusik in einer/m Komödie/Musical, so wie die Golden Globes es noch heute mit ihrem Hauptreis handhaben. In den späten 1930er Jahren hingegen gab es wiederum je einen separaten Award für Beste originale bzw. adaptierte Filmmusik.

Musik hat bei den Oscars einen ganz eigenen, komplizierten Weg hinter sich. Mittlerweile ist es sogar so, dass einzig die Kategorie für Beste (originale) Filmmusik übrig geblieben ist. True Grit und Black Swan wurden beide als untauglich für eine Nominierung erklärt weil sie auf Kompositionen des 19. Jahrhunderts bzw. Schwanensee basieren. Die Academy, welche einst keine Mühen scheute, um adaptierte Kompositionen zu huldigen, lehnt diese nun vollständig ab. Wie auch immer, in diesem Jahr sind die besten Werke beider musikalischer Kategorien voll mit Anspielungen und Vermengungen verschiedenster Einflüsse.

Beste Filmmusik: Anna Karenina, Argo, Life of Pi, Lincoln oder Skyfall

Beginnen wir mit Anna Karenina und Dario Marianellis in Romantik getränkten Klängen. Das Hauptthema ist einem alten russischen Volkslied entnommen, ‚Auf einem Feld stand eine Birke‘, berühmt geworden durch die Verwendung in Tschaikowskys 4. Symphonie. Marianellis Musik fühlt sich oft als etwas an, das im Kopf dieses großen Komponisten des späten 19. Jahrhunderts entstanden sein könnte, vermischt mit Elementen von Johann Strauss Sohn sowie des Wiener Walzers. Anna Karenina tanzt und tanzt bis zum dramatischen Schluss, ohne eine echte Verschnaufpause.

Auch John Williams Musik für Lincoln klingt oft, sehr oft, nach etwas sehr vertrautem. Wie schon letztes Jahr mit Gefährten deutlich wurde, ist Williams an einem Punkt in seiner Karriere angelangt, an dem er wohl am besten dran ist wenn er Aaron Copland nachäfft. In Lincoln erklingt die herausragendste Musik in Momenten des stillen Nachdenkens und großer historischer Bedeutung. Die simple Holz- und Blechbläserbesetzung erinnert an ‚Fanfare for the Common Man‘ und wirkt bescheiden, wenn man sich an Williams frühere orchestrale Prahlerei besinnen mag. Unglücklicherweise hält sich dies nur bis er sich in die lebhafteren an Rodeo angrenzenden Sektionen bewegt. Vieles des bodenständigen Gefiedels in Lincoln erscheint demütig komödiantisch und bewegt sich mit Fortlaufen des Films in Richtung musikalische Albernheit.

Argo und Skyfall vermischen beide den altbewährten Stil eines Hollywood-Actionfilm-Soundtracks, mit den ganz und gar verschiedenen musikalischen Traditionen ihrer Umgebung. Alexandre Desplat und Thomas Newman bauen auf sich wiederholende, schnelle Rhythmen an die wir gewöhnt sind und fügen diesen iranische bzw. türkische Instrumentierung hinzu. Skyfall behält jedoch durch die Aufnahme von zusätzlichen Einflüssen aus 50 Jahren James Bond-Musik die Oberhand. Newman pointiert sein Werk meisterlich mit aufschwellenden Blechbläsern, welche wir sofort mit 007 assoziieren, ein Stil der mitunter auch ein Grund für den Triumph des Titelsongs (Adeles ‚Skyfall‘) sein könnte. Desplats Musik ist überaus gelungen orchestriert und keineswegs zu verachten, doch hat man von ihm schon besseres geliefert bekommen.

Letzten Endes jedoch, ist die wohl am schönsten vermischte Komposition Mychael Dannas Musik für Life of Pi. Ein Soundtrack voller dynamischer Vitalität. Das alte französische Lied ‚Sous les ceils de Paris‘, eine musikalische Referenz auf den Film von Rene Clair aus dem Jahre 1931, wird durch indische Instrumente gefiltert und passt perfekt zu den satten 3D-Bildern eines Swimmingpools in Frankreich und den Gewässern des Zoos in Pondicherry. Die Nominierung für den besten Song (‚Pi’s Lullaby‘), mit dem Gesang und Text von Bombay Jayashiri, ist ein weiteres Beispiel für die großartige Kollaboration im Kern von Life Of Pi.

Also, wer gewinnt?

Adele mit ‚Skyfall‘ ist eine Bank, mit einem hauchdünnen Vorsprung auf ‚Pi’s Lullaby‘. Die anderen drei nominierten, insbesondere das peinliche ‚Suddenly‘ (von Les Miserables), sind kein Beispiel der Früchte der Adaption und Inspiration, eher fade und derivate Nebengedanken. Dennoch wird es sehr unterhaltsam werden, wenn wir ihre Aufführung in der Oscar-Nacht zu sehen bekommen.

Bei der besten Filmmusik verhält es sich da schon ein wenig komplizierter. Anna Karenina und Skyfall fallen höchstwahrscheinlich aus. Seit 1999 (also seit der Reduzierung auf nur eine Kategorie für beste Filmmusik), ging der Award nur zweimal an einen Film der nicht in der Kategorie Bester Film nominiert war (Frida und Die rote Violine).

Zu Argo sei gesagt, dass die Academy eigentlich nie zu diesem Stil der Komposition tendiert. Zuletzt wurde Musik mit solcher Betonung des Suspense in den 1970er Jahren gewürdigt. Viel mehr noch aber liegt es daran, das Desplats Arbeit einfach nicht heraussticht. Somit deutet alles auf einen Showdown zwischen Lincoln und Life of Pi, zwischen dem 48-fach nominierten und fünffachen Gewinner Williams und dem erstmals nominierten Danna. Auf der einen Seite könnte die Academy die Chance nutzen Williams ein letztes Mal zu würdigen. Drei seiner fünf Oscars bekam er für Spielberg-Filme. Auf der anderen Seite hat man Newcomer in den letzten Jahren des Öfteren geehrt – es ist hart für Außenseiter nominiert zu werden, aber nicht halb so hart dann auch zu gewinnen. Erstmalig Nominierte haben in den letzten zwei Jahren gewonnen und sieben Mal seit der Einführung der allgemeinen Filmmusik-Kategorie. Mein Geld also, setze ich auf Danna.

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