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Der Hobbit – Eine unerwartete Reise

Zu den größten Ereignissen in der gesamten Kinogeschichte zählt ohne Zweifel die Adaption von J.R.R. Tolkiens Fantasy-Roman-Epos Der Herr der Ringe. Der inzwischen mehr als etablierte neuseeländische Regisseur Peter Jackson brachte die Erzählung vom Ringkrieg, die übrigens lange Zeit als unverfilmbar galt, als Trilogie von 2001 bis 2003 auf die Leinwände dieser Welt. Mit insgesamt fast 3 Milliarden Dollar an Einspielergebnissen zählt diese neben Harry Potter zugleich zur erfolgreichsten mehrteiligen Reihen in diesem Genre. Die Elfen, Zwerge und Orks aus Mittelerde wurde so zu Vertrauten für ein gigantisches Publikum in aller Welt (soll ja eine Zeit gegeben haben, in der in weiten Teilen ’nur‘ die Nerds und Fantasy-Fans dieser mythischen Fiktionalität ihre entfesselte Begeisterung schenkten).

Tolkien hat vor Der Herr der Ringe (erstmals veröffentlicht in drei Bänden 1954/1955) allerdings noch Der kleine Hobbit verfasst. Diese ursprünglich als Kinderbuch konzipierte Geschichte erschien bereits 1937 und kann praktisch als Prequel zu Der Herr der Ringe gesehen werden. Genug Stoff also für eine weitere filmische Erzählung aus Mittelerde und demnach musste in der Logik der Hollywood-Studios eine neu konzipierter Blockbuster-Mehrteiler folgen. Als der Regisseur Guillermo del Toro, bekannt von Pan’s Labyrinth oder Hellboy, 2008 zum Projekt dazu stieß, war die Vorproduktion bereits im Gange. Aufgrund diverser Verzögerungen und Probleme sollte es aber schließlich wieder Peter Jackson sein, der das Ruder übernahm. Erst kürzlich hatte nun der erste Teil der neuen Fantasy-Trilogie unter dem deutschen Titel Der Hobbit – Eine unerwartete Reise seine Premiere und meine Person als begeisterter Liebhaber (aka Nerd) von Tolkiens Meisterwerk(en) und recht großer Fan der vorangegangenen Film-Trilogie freute sich mit leichten Skeptizismus auf die Rückkehr nach Mittelerde…

“Bilbo Baggins, I’m looking for someone to share in an adventure…”

Eine Drachen-Queste mit Zwerge

Bilbo Beutlin lebt ein geruhsames Leben in seiner gemütlichen Behausung im Auenland, bis eines Tages der Zauberer Gandalf an seiner Tür erscheint. Er sieht in dem kleinen Hobbit einen bedeutenden Weggefährten für ein abenteuerliches Unternehmen. 12 Zwerge tauchen alsbald auf, von denen einer ihr Anführer mit Namen Thorin Eichenschild ist, der sein Erbrecht eines einst mächtigen Königreichs, das im Einsamen Berg liegt, zurückerobern will. Der schreckliche Feuerdrache Smaug hat dereinst diesen Hort und den Schatz darin geraubt. Anfangs sträubt sich Bilbo noch gegen eine Beteiligung, aber schließlich bricht er an der Seite der Gemeinschaft gen Osten auf. Und sollte wahrlich ein großes Abenteuer mit vielen gefährlichen und wundersamen Begegnungen werden…

“A dark power has found a way back into the world.“

Die schizophrene Überladenheit eines erzwungenen Fantasy-Epos

Zur Verfilmung von Der kleine Hobbit sollte man erstmals wissen, dass das Buch um so einige hundert Seiten kürzer ist, als Der Herr der Ringe. Aber dennoch bekommen wir hier erneut eine Film-Trilogie präsentiert, wovon der erste Teil bereits 140 Minuten lang ist. Dies nährte bereits im Vorfeld den Verdacht, dass die Story etwas aufgeblasen werden könnte. Allerdings findet man in der Kino-Adaption zusätzliche Elemente, die sehr wohl in Anhängen oder anderen Texten aus dem Mittelerde-Universum erwähnt sind. Dennoch, Der Hobbit – Eine unerwartete Reise lässt sich merklich Zeit beim Erzählen, was ich allerdings zumindest anfangs als sehr positiv empfunden habe. Dadurch bekommen die Figuren mehr Zeit sich zu entwickeln, können besser ausformuliert werden und ebenso ist mehr Raum für Details und die Intensivierung der Atmosphäre.

Tatsächlich habe ich mich die erste halbe Stunde bestens unterhalten gefühlt. Im Ton merklich humorvoller und weniger düster als Der Herr der Ringe, aber durchaus mit dramatischen Intermezzos (unter anderem in der ersten, hervorragenden Rückblende) entwickelt Der Hobbit zunehmend eine märchenhafte Intensität, die einen durchaus gefangen nimmt.

Schließlich folgt aber eine erste Sequenz, in der der Film zu kippen beginnt und man zum ersten Mal den sich fortsetzenden etwas geschmacklosen Brachial-Humor auf einem dezent unteren Niveau präsentiert bekommt. Vielleicht können andere Kinogeher mit dieser Art von Witzen und Plattitüden, vor allem in Kontrast zum Bemühen um innere Glaubwürdigkeit und eine gewisse ironiebefreite Ernsthaftigkeit des Fantasy-Settings, sich durchaus anfreunden und da Der kleine Hobbit auch einstmals als Kinderbuch konzipiert war, ist dies durchaus akzeptabel bis zu einem gewissen Grad, aber für mich waren gewisse Szenen im Fortlauf und besonders eine Figur fast unerträglicher Quatsch.

Der Film ist regelrecht schizophren, pendelt immer wieder zwischen Genialität und Dummsinn, zwischen atmosphärischer Intensität und kindlicher Leichtigkeit, zwischen brutalen Schlachtengemälden und Klamauk-Gemetzeln, zwischen dramatischen Verfolgungsjagden und lächerlichen Stunt-Einlagen, zwischen glaubwürdiger Figurenzeichnung und banalen Cartoon-Charakteren.

Dies alles wird mit einer zunehmend größer werdenden Überladenheit präsentiert. Der Film ertrinkt phasenweise in epischem Kitsch, wofür besonders die Vielzahl an Szenen vor unter- oder aufgehender Sonne bezeichnend ist. Alles wirkt zumindest einen Tick zu aufgeblasen, nicht zuletzt, weil die Handlung an vielen Stellen schließlich bewusst zerdehnt ist und sich merkliche Längen ins Geschehen einschleichen. Dezent zuviel, weil phasenweise aufdringlich, ist auch die permanente musikalische Untermalung. Ohne Zweifel hören wir hier einen in weiten Teilen äußerst gelungenen Soundtrack, aber hier wäre, wie bei so vielen anderen Aspekten von Der Hobbit, weniger eindeutig mehr gewesen.

“Home is now behind you. The world is ahead.“

Der triumphale Zwiespalt der Technik

Peter Jackson hat mit Der Hobbit zum ersten Mal auf eine ganz besondere Technologie gesetzt. Nicht nur ist der Film komplett digital in HD abgefilmt und zudem für 3D konzipiert, nein, erstmals bekommen wir hier auch statt der sonst üblichen 24 Bilder pro Sekunde das Doppelte, nämlich 48, präsentiert. Die gestochen scharfe Visualisierung erweist sich für mich sowohl als Vor- als auch als Nachteil.

Der Look ist insgesamt nämlich extrem artifiziell. Selbst ‚einfache‘ Landschaftsaufnahmen wirken wie aus dem Computer oder Modelltricks, nicht zuletzt aufgrund eines seltsamen Farbstichs im Grün und einem fast permanenten Leucht-Effekt bei Aufnahmen im Tageslicht. Umgekehrt merkt man nun den Kulissen umso mehr an, dass sie bloße Kulissen sind. Da die Unschärfe fehlt, sind die digitalen Kreaturen auch ganz eindeutig als Schöpfungen aus dem Rechner zu erkennen (lediglich Gollum bildet hierbei eine gewisse Ausnahme), womit der Eindruck entsteht, man betrachte gerade ein Computerspiel mit toller Grafik.

Für mich geht diese neuartige Visualisierung im Kontext der märchenhaften Erzählung durchaus in Ordnung, trägt sogar etwas zu einer eigenwilligen Atmosphäre bei, aber ich verstehe durchaus, dass dies von vielen als sehr kontrovers aufgefasst wird.

Allerdings sei auch gesagt, das längst nicht alle Kinos den Film mit 48 frames per second zeigen (einfach weil sie nicht mit entsprechenden Projektoren ausgestattet sind bzw. die Verleih-Firma hat auch viele Versionen mit normaler Frame-Rate ausgeliefert), daher kommt man als Kinobesucher eventuell nicht diese offenbar etwas unausgereifte technologische Weiterentwicklung des Mediums zu sehen.

Routiniertes Spiel und perfekte Neuzugänge

Wenn Der Hobbit in einem Aspekt wirklich zu überzeugen weiß, so ist es das hervorragende Darsteller-Ensemble, wovon ein Gutteil bereits in Herr der Ringe zu sehen war. Ian McKellen mimt erneut die perfekte Interpretation von Gandalf. Hugo Weaving und Cate Blanchett kommen in eher kürzeren Auftritten wieder als edle Elfen vor. Christopher Lee als Saruman wirkt trotz digitaler Verjüngung allerdings schon etwas sehr alt und gebrechlich.

Ein wahrer Triumph ist ohne Zweifel Andy Serkis als Gollum, der mit Martin Freeman als formidabler Bilbo Beutlin die wohl mit Abstand beste Szene im Film hat. Freeman, der besonders in der Mini-Serie Sherlock große Erfolge feiert, kann wohl als Idealbesetzung in der Hauptrolle des kleinen Hobbit bezeichnet werden. Beeindruckt hat mich auch Richard Armitage in der Verkörperung des Zwerges Thorin Eichenschild, auch wenn er merklich als ein ‚Ersatz-Aragorn‘ besetzt wurde.

“So this is the Hobbit!”

5 / 10

Fazit von Spenz

Kann ich Der Hobbit – Eine unerwartete Reise wirklich empfehlen? Mitnichten. Ja, der Film funktioniert über weite Strecken gut bis sehr gut, hat sogar die eine oder andere wirklich geniale Momente, entwickelt eine intensive, märchenhafte Atmosphäre und lässt ohne Zweifel immer wieder das gute, alte ‚Herr der Ringe-Feeling‘ aufkommen, aber gleichzeitig bekommt man auch immer wieder dumme, lächerliche oder völlig überzogene Szenen präsentiert, die einem einen echten Schaugenuss verunmöglichen. Extrem platte Cartoon-Charaktere vermögen auch so gar nicht neben tiefgründigen und ernsthaften Figuren bestehen.

Ja, die Vorlage ist eher ein Kinderbuch, ja, dies ist nicht der große Fantasy-Epos, aber hier geht eindeutig eine gewisse Balance zwischen den unterschiedlich betonten Elementen gänzlich verloren. Peter Jackson hat es schon immer daran gemangelt, die Grenzen von Kitsch, Überladenheit und plattem Humor zu erkennen, aber hier versagt er schlicht an zu vielen Stellen mit seinem inszenatorischen Gespür völlig.

Hinzu kommen noch zu viele Längen, zu oft eine dramaturgische Aufgeblasenheit und am Ende drängt sich die Grundsatzfrage auf, ob den überhaupt genug Handlung für zwei weitere, ähnlich lange Teile mit dem vergleichsweise kurzen Büchlein als Vorlage übrig bleibt.

Die neue Technologie, das neue visuelle Erleben mit 48 Bildern pro Sekunde sorgt zudem für einen extrem artifiziellen Eindruck, was man so negativ wie positiv bei einem Fantasy-Film dieser Art auffassen kann.

Der Hobbit – Eine unerwartete Reise ist ein permanentes Hin und Her zwischen den Stühlen, was ihn nicht zuletzt in seinem teilweisen Scheitern durchaus sehenswert macht, aber eine Enttäuschung hinsichtlich seiner schizophrenen Qualitäten wird wohl bei den meisten Kinobesuchern durchaus bleiben.

 

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