Star Trek mit den zig Serien und Kinofilmen muss ich ja wohl kaum recht viel erklären an dieser Stelle. Ich setze da reichlich Grundwissen voraus, nicht zuletzt nuckelt ja bereits jeder Durchschnitts-Nerd (also nicht in erster Linie gleich die, die am liebsten ihre Jungfräulichkeit in einer Föderations-Uniform im daheim nachgebauten Transporter-Raum verlieren möchten) das Trek-Universum wie Muttermilch in sich rein, sobald er ansatzweise kapiert hat, für was SF die Abkürzung ist. Und auch sonst ist Star Trek mit den zahlreichen medialen Ausformungen ein derartig langlebiges und vielfältiges Phänomen, sodass es längst als eine der großen Erzählungen in der Popkultur angesehen werden kann.
Auf den Grundkonsens, dass Enterprise und Co sich mit Star Trek: Der Aufstand (1998) und Star Trek: Nemesis (2002 und der Teil, den es eigentlich für den echten Fan aber auch für den halbwegs intelligenten Kinogeher nie gegeben hat) selbst gekillt haben, können wir uns wohl auch einigen. Andere grottige, einzelne Staffeln der zig TV-Serien gab‘s auch reichlich und meiner Meinung nach war der letzte Enterprise-Auswurf auf den Fernsehschirmen auch ein ziemlicher Mist. Alles in allem war die Franchise schon mehr als nur ausgelutscht und kränkelte halbtot vor sich hin, bis sich jetzt eben das Hollywood-Wunderkind J.J. Abrams (Alias, Lost, Cloverfield und noch so einiges mehr) an einen kompletten Neustart der Film-Reihe und im Grunde auch gleich des ganzen Universums herangewagt hat.
‚So, the Enterprise has had its maiden voyage, has it?‘
Tod und Wiedergeburt
Insofern ist der Star Trek XI (wobei eigentlich ist der Filmtitel ‚nur‘ Star Trek) eine wahre Wohltat, ein toller Reboot des gesamten Universums und funktioniert über weite Strecken gar prächtig. Ein an sich guter bis sehr guter SF-Action-Film, der mit herausragenden Effekten überzeugt; der flott und dynamisch ohne viel Verschnaufpause jede Menge spannende bis spektakuläre Sequenzen bietet; der von der Story her teils fast schon überraschend fein funktioniert (der Alternative-Universe-Twist hat schon was für sich); der ohne Zweifel mit sämtlichen Altlasten des Settings aufgeräumt hat ohne dabei dank vieler Anspielungen und Insider die Wurzeln zu vernachlässigen und daher durchaus das alte Feeling erfolgreich beschwört.
“Dammit, man! I’m a doctor, not a physicist!“
Neue und alte Gesichter
Wobei vor allem der Cast herausragend ist und die Figurenkonstellation nichts von ihrer damaligen Stärke verloren hat, speziell Zachary Quinto als Spock und Karl Urban als Pille spielen grandios und verkörpern ihre Vorbilder auf mehr als nur überzeugende Weise. Ja, auch Kirk ist cool. Überhaupt kriegt das Drehbuch die Figuren-Verflechtungen sehr, sehr schön hin, wobei sogar die eine oder andere Überraschung, selbst für Trek-Veteranen, geboten wird. Dem Raumschiff Enterprise als ‚Charakter‘ wurden auch einige wirklich schöne Aufnahmen gegönnt, was natürlich auch viel wert ist. Lediglich der Oberschurke Nero kam eindeutig zu kurz rüber, aber das fällt bei all der Action ohnehin kaum auf.
“Once you have eliminated the impossible, whatever remains, however improbable, must be the truth.“
Weniger und schlecht Gelungenes
Womit ich auch schon dabei wäre, was mich am neuen Star Trek-Film ein wenig bis sehr gestört hat. Das gute, alte (wiewohl auch etwas gemächliche) Trek-Feeling kommt insgesamt etwas zu selten rüber. Der Film wirkt deutlich überhastet, kommt phasenweise fast so daher, als hätte man die Story rund um die (zugegeben recht spektakulären) Action-Szenen herum geschrieben.
Die Figuren-Entwicklung funktioniert größtenteils wohl nur deshalb so gut, weil man die Charaktere schon seit zig Filmen und Folgen so gut kennt, denn ansonsten käme einer blasser als der andere rüber (abgesehen von der Kirk/Spock-Dynamik). Irgendwie rettet auch jeder dem anderen das Leben, was reichlich überzogen wirkt, wenn man mal zum Nachdenken zwischen all den Explosionen kommt (Michael Bay lässt grüßen!). Überhaupt mangelt es dem Film zum Teil völlig an innerer, kohärenter Logik, vor allem da der Handlungsverlauf teils völlig überkonstruiert und an den Haaren herbeigezogen ist (Stichwort zufällige Begegnungen auf einem Eisplaneten… und ich will jetzt nicht den dämlichen Satz hören: ‚Ja es ein Science-Fiction-Film! Wieso erwartest du da was Realistisches?‘).
Das Interior Design der Enterprise ist absoluter Mist in meinen Augen, die Brücke ist mit all den Lichtlein und spacig transparenten Displays völlig überladen und der Maschinenraum sieht aus wie eine unterirdische Ölraffinerie, was nichts mehr mit der in sich stimmigen und im Grunde recht intelligent konzipierten Tech-Fiktion des gesamten Trek-Universums zu tun hat.
“I can’t wait to kick some Romulan arse!“
Vergessenes und Schon mal da Gewesenes
Apropos: Wo sind denn bitte die Schilde geblieben? Es wird ständig von denen gefaselt, aber ich hab kein einziges Mal ein blaues, blasenförmiges Aufglühen gesehen. Epic Fail (Kanon! Kanon!) bei den Bildern vom Bau der Enterprise in der Atmosphäre, was aber schon nach dem ersten Trailer klar war. Der Plot mit dem bösen Romulaner und dem Überschiff ist uns fast 1:1 aus dem unsäglichen Vorgänger bekannt und wenn man die zig Konfrontationen mit einem Oberbösewicht und seinem übermächtigen Schlachtschiff aus fast sämtlichen vorangegangenen Teilen bedenkt, wirkt die xte Wiederholung lächerlich. Dass zum xten Mal auch wieder die dahergenudelte Zeitreisethematik für den Main Plot herhalten muss ist auch etwas fragwürdig und spricht nicht gerade für die Originalität der Autoren (wiewohl wie gesagt der Alternative-Universe-Twist sehr gut hinhaut).
Zudem erinnert mich der Film teils frappant an Galaxy Quest (eine mehr als feine Genre-Komödie aus dem Jahre 1999), wobei wenn jetzt die Persiflage persifliert wird (praktisch die Verarsche von der Verarsche) wird‘s etwas mühsam. Einige Gags hätte man sich wirklich sparen können, denn die waren schlicht bescheuert (Stichwort große Hände und sinnlose Wasserröhren in der Ölraffinerie genannt Maschinenraum) und wirkten reichlich deplaziert. Die Liste könnte man noch mit dem fetischisierenden Einsatz von Lens-Flare-Effekten, etwas arg verwackelten Action-Szenen (auch so eine Hollywood-Krankheit der letzten Jahre) oder der Belanglosigkeit der Auslöschung von 6 Milliarden Vulkaniern beliebig lang fortsetzen…
“Mr. Chekov, set a course… for home.“
Fazit von Spenz
Der neue Star Trek ist ein erfolgreicher und in weiten Teilen gelungener Reboot des Universums von Gene Roddenberry, der endlich mit den Altlasten aufräumt und vor allem mit der großen Stärke eines grandiosen Casts punkten kann. Als SF-Action-Film funktioniert er gut bis sehr gut und hat so nebenbei tolle Effekte zu bieten. Das alte Trek-Feeling ist durchaus spürbar, viele Insider sind schön platziert.
Dafür krankt er meiner Meinung nach an allen Ecken und Enden, wobei einiges durchaus verschmerzbar ist (als Trek-Fan sowieso), anderes nur lediglich deshalb so wenig auffällt, weil dank mangels ruhigerer (und wohl auch intelligenterer) Momente, man eh nicht viel zum Nachdenken kommt. Deplatzierter Humor (neben einigen wiewohl sehr gelungenen Gags), mieses Interior Design, überkonstruierte und an den Haaren herbeigezogenen Plot-Elemente neben einer xmal gesehenen 08/15-Storyline, ein fast schon unsichtbar blasser Bösewicht, der teils schmerzlich offensichtliche Verzicht auf Innere Logik etc…
Der Kino-Abend war durchaus vergnüglich, hatte seine Höhepunkte, hat mich aber mit einem schalen Nachgeschmack zurück gelassen, denn es wäre noch deutlich mehr drin gewesen, wenn man sich auf alte Tugenden besinnt hätte (z.B. etwas mehr innere Logik, fein funktionierends Tech-Design, mehr Ruhe im Plot und auch mit der Kamera). Ich hoffe daher auf eine wirklich gute Fortsetzung, die sich vom Drehbuch deutlich mehr auf eine gute Geschichte konzentriert und die Stärken des Casts voll ausspielen kann (die Vorstellungs-Runde, die ja reichlich Handlung einnahm, haben wir ja jetzt hinter uns). Das ist in jedem Fall möglich und insofern wäre es durchaus denkbar, dass die zukünftigen Star Trek-Teile herausragend werden.
PS: ST VI und VIII bleiben mit dem IIer für mich die absoluten Höhepunkte der Filmreihe, XI kann man knapp dahinter einreihen…
PPS: Der Soundtrack war absolut grottig bis völlig belanglos (ist das irgendeine Krankheit der Filmkomponisten? Wenn ich an die grandiosen Themen aus den 80ern bis Anfang der 90er denke: Indiana Jones, Star Wars, Conan, Superman, Star Trek (old ones), Batman… und jetzt kommt fast nur noch so kaum erinnerungswürdiges Gülle-Geklimper. Glücklicherweise haben sie wenigsten am Schluss sehr schön musikalisch die Brücke zu den Wurzeln von Star Trek geschlagen…
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