Ich liebe Watchmen! Ich liebe Alan Moore! Alan Moore ist Gott! Natürlich meine ich damit erstmals die legendäre, ja revolutionäre Graphic Novel aus den Jahren 1986/87, die damals in mehreren Teilen erschienen den Comicmarkt oder überhaupt das Verständnis für Comics, im speziellen auch und besonders das Genre des Superhelden-Comics völlig verändert hat. Alan Moore ist einer der mit Abstand besten zeitgenössischen Autoren überhaupt und nicht zuletzt mit vielen seiner anderen Meisterwerke wie From Hell (mit einer reichlich unterdurchschnittlichen Verfilmung) oder V for Vendetta (mit einer deutlich überzeugenderen Verfilmung) hat er (Comic-)Geschichte mit Geschichten geschrieben. So nebenbei hat er übrigens an keiner der Verfilmungen auch nur einen Dollar verdient, da er diese für ihn enstellenden Hollywoodisierungen seiner Arbeiten kompromisslos ablehnt. Er wechselt zudem seine Zeichner oft und gerne, im Falle von Watchmen war es Dave Gibbons (der hatte hingegen auch vor Ort am Set seinen Spaß), der diese grandiose Demontage des Superhelden-Mythos in einer alternativen Zeitlinie der 80er Jahre visualisierte.
“Watchmen are over.“
Ein Comic will verfilmt werden
Jahrelang, wenn nicht jahrzehntelang, geisterte Watchmen durch die Developement Hell Hollywoods und so konnte ich spätestens seit Beginn unseres neuen Jahrtausends diverseste Gerüchte im Netz aufschnappen, dass auf die eine oder andere Weise eine filmische Umsetzung der Vorlage in Planung sei. Unter anderem hat sich Terry Gilliam in den 90ern mal ernsthaft mit dem Projekt beschäftigt, scheiterte aber an der angeblichen Unverfilmbarkeit des Stoffs.
Zack Snyder schließlich, der uns bereits 300 bescherte und sich mehr als einmal in Interviews als fanatischer Watchmen-Fan geoutet hat, gelang es schließlich die notwendigen Produktionsmittel aufzutreiben und tatsächlich das scheinbar Unmögliche zu machen: aus dem komplexen und vielschichtigen Comic wurde ein Kino-Film.
Die ersten Bilder und vor allem die äußerst genialen Trailer ließen mich sehr, sehr Großes erhoffen und vor der Kinopremiere war ich fast schon nervös und richtig angespannt. Wie gesagt, seit Herr der Ringe habe ich nicht mehr so sehr die Verfilmung einer so großartigen Vorlage herbei gesehnt.
“Rorschach’s Journal: October 12th, 1985. Tonight, a comedian died in New York.“
Vom Scheitern der Superhelden
Der Film selbst ist einerseits sehr gelungen. Er hält sich sehr stark an die Vorlage, lässt nur wenig aus und verkürzt nur geringfügig (mit einigen ganz wenigen Ausnahmen). Was einen erstmals erfreut. Nicht zuletzt beeindrucken viele der Bilder aufgrund ihrer fast schon penibel genauen Akkuratesse betreffend der Umsetzung von Papier auf Zelluloid. Alle wesentlichen und wichtigen Elemente wurden direkt übernommen, so sind zahlreiche Dialoge fast 1:1 von den Sprechblasen ins Drehbuch übersetzt worden, ebenso und vor allem die großen, ästhetischen Momente, speziell was Szenen mit Dr. Manhatten betrifft. Da überzeugt Watchmen weitestgehend. Der Stil prägt perfekt die düstere Atmosphäre, bringt auch die 80er und die Gefahr eines nuklearen Holocausts in einem Krieg der Supermächte gut rüber. Glaubhaft wird vermittelt, wie moralisch und amoralisch Superhelden handeln würden, wenn sie denn tatsächlich in oftmals lächerlichen Kostümen selbsternannte Rächer spielen und das politische wie gesellschaftliche Geschehen mit beeinflussen. Dabei sind sie alle menschlich, dabei sind sie alle sterblich, bis ein gottgleiches Wesen durch einen Unfall geschaffen wird und umso mehr die Existenz als solche hinterfragt und das Antlitz der Welt verändert.
Watchmen erzählt die Geschichte dieser vielen hochkomplexen Superhelden-Figuren, die letztlich allesamt scheitern. Dabei ist der ausgewählte Cast ist durchwegs gelungen, denn die Schauspieler wirken unverbraucht und stehen somit einer getreuen Charakterisierung ohne darstellerische Festlegungen im Vorfeld nicht im Weg. Allen voran freilich der absolut famose Rorschach alias Jackie Earle Haley neben Dr. Manhatten (Billy Crudup im Motion Capturing Anzug), der Comedian (Jeffrey Dean Morgan) und nicht zuletzt auch Nite Owl (Patrick Wilson). Lediglich Silk Spectre II (Marlin Akerman) und leider auch Ozymandias (Matthew Goode) wirken etwas zu blass, auch weil viele wichtige emotionale Momente für diese Protagonisten aus dem Comic gestrichen wurden.
Ausstattung und Sets beeindrucken besonders auch deshalb, weil einerseits die Farbpalette der Graphic Novel direkt übernommen wurde und auch weil die über Jahrzehnte hinweg erzählte Geschichte stilistisch sehr schön eingefangen werden konnte. Die Effekte sind insgesamt natürlich nicht allererste Liga, was aber bei einer kleineren Produktion, die auf ein R-Rating aufgrund von Brüsten, Gewalt und einem blauen Penis fast schon abzielt, wenig verwundern sollte. Insgesamt macht aber die SFX einen guten bis sehr guten Eindruck und gerade Dr. Manhatten sieht teilweise wirklich großartig aus. Auch musikalisch und gerade beim äußerst gelungenen Vorspann macht Watchmen sehr viel richtig und alles in allem wären die Zutaten für eine geniale Verfilmung gegeben…
“What happened to the American Dream? It came true! You’re lookin‘ at it…“
Vom Scheitern eines Films
…wenn, ja wenn nicht der gute Zack Snyder bei aller Liebe zur Vorlage vergessen hätte, dass Watchmen ein in sich geschlosssener Film sein müsste, der nicht die Episodenhaftigkeit der Vorlage (insgesamt 12 Teile gab’s von der Graphic Novel, die 86-87 nacheinander erschienen sind und erst später zu einer Ausgabe gebunden wurden) krampfhaft imitieren sollte. So fehlt es massiv an Dynamik und an einem guten Rhythmus im Film (das ‚pacing‘ wie man‘s neudeutsch auch nennt). Da holpert es ordentlich in der Narration. Jedes Mal wenn er gerade in Fahrt zu kommen scheint, wenn sich ein genialer Moment entwickelt, gerät alles ins Stocken, wird gebremst von einer weiteren Rückblende, von einem weiteren hinzu kommenden Aspekt in der Geschichte. So zerdehnen sich die Handlungsstränge und verlieren sich phasenweise fast, was das Ergebnis insgesamt äußerst zäh macht.
Wobei bei dem großen Figuren-Inventar (samt ausführliche in Rückblenden erzählte Background-Story) und den zig Aspekten, um die die Gesamt-Handlung zirkuliert, ist es schon bewundernswert, wie gut letztlich alles dann doch auch funktioniert. Aber trotzdem: Snyder will alles reinpacken und scheitert dann daran. Für mich gäbe es bei der Umsetzung der Vorlage nur zwei Möglichkeiten: entweder er hätte noch rigider, aber dennoch freilich intelligent und sensibel gekürzt und mehr versucht, den Film besser als Gesamtkomposition zu kreieren oder er hätte noch konsequenter die Episoden-Struktur hervorgehoben, so wie in sagen wir mal 2001 – A Space Odyssey, wo die einzelnen Teile auch Titel bekommen und dann dennoch insgesamt in einem Film bestehen bleiben.
Gerade anfangs bleibt Snyder näher an der Vorlage lässt sich mehr Zeit beim Erzählen (vor allem was den Part mit dem Comedian betrifft), während er zum Schluss hin immer hastiger wird. Speziell die zweite längere Sequenz auf dem Mars mit Silk Spectre ist zum Teil arg gekürzt und hätte deutlich mehr zu bieten gehabt, was ihr als Figur in ihrer Motivation und der Erzählung insgesamt sehr gut getan hätte. Zusätzlich wirken die übertriebenen Splatter-Szenen (die im Comic auch nicht so vorkommen) und die phasenweise etwas aufdringliche Musik-Auswahl und der in ganz seltenen Fällen unpassende Humor und die ebenfalls recht selten vorkommenden, arg herbei-konstruierten Handlungselemente und die plumpen Übergänge zwischen den Episoden auch etwas negativ was den Film generell betrifft. Der im Grunde teils wesentlich veränderte Schluss gegenüber der Vorlage hat mich hingegen weniger gestört. So bleibt alles irgendwie einen Tick zu unbefriedigend, lässt einen etwas frustriert zurück.
“Never compromise. Not even in the face of Armageddon.“
Fazit von Spenz
Als Fazit bleibt mir, dass Watchmen ein wunderbar gescheiterter Versuch ist, die geniale Graphic Novel auf die Leinwand zu bannen. Zu sehr hält sich Snyder an die Vorlage, zu unrythmisch und undynamisch bleibt das Ergebnis, zu zäh der Handlungsverlauf, teils auch zu brüchig die Umsetzung. Dennoch hat der Film viele großartig inszenierte Szenen, eine zum Teil äußerst gelungene Figuren-Zeichnung und eine oft sehr überzeugende Ästhetik, die man sonst im Mainstream-Kino oft genug vermisst. Die Größe der Vorlage wurde an vielen Stellen durchaus eingefangen, in der Gesamt-Komposition leidet der Film jedoch. Letztlich aber, vorausgesetzt man ist gewillt den überlangen Film komplett mit aller Aufmerksamkeit durchzudrücken, bleibt es ein sehenswertes Kino-Erlebnis, das nicht zuletzt das Genre der Superhelden-Verfilmungen um ein wichtiges Werk bedeutend erweitert und sei es allein ’nur‘ um die Graphic Novel noch populärer werden zu lassen. Das Warten hat sich für mich trotz allem gelohnt, aber es wäre bestimmt noch mehr drin gewesen und so bleibt eben irgendwie das Gefühl, man würde den Film doch so viel mehr lieben können, wenn er doch nur etwas stimmiger und mitreißender wäre.
PS: An The Dark Knight oder an meine weiteren Lieblings-Comic-Verfilmungen wie The Crow oder auch Persepolis kommt Watchmen leider nicht wirklich heran.
PPS: Bei aller Kritik ist mir Watchmen sowieso viel lieber als so mancher hin geschlissener Hollywood-Murks, der schön gefällig für ein Mainstream-Publikum produziert wird. Nur um ein paar Namen zu nennen: Indy 4, Spider-Man 3. Pirates of the Carribian 3, Transformers, X-Men 3… Watchmen ist da viel interessanter, beeindruckender und nicht zuletzt auch unzugänglicher fürs standardisierte Publikum, was man dem Film auch hoch anrechnen muss.
…und lest gefälligst alle die Graphic Novel!
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