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Tron: Legacy

Mit Tron begann ein neues Zeitalter in der Kinogeschichte. Dieser war der allererste Langfilm, der mit vollständig computeranimierten Sequenzen eine neue visuelle Qualität auf die große Leinwand brachte. Im Jahr 1982 wurde dieser Genre-Meilenstein von Disney produziert, der zwar seinerzeit mit sehr gemischten Reaktionen von Kritik und Publikum aufgenommen wurde, sich aber schließlich zu einem visionären Kultfilm entwickelte. Wobei hier angemerkt werden muss, dass digitale Spezialeffekte erst mit Terminator 2 (1991) und Jurassic Park (1993) den enorm bedeutenden Stellenwert erhielten, den sie bis heute haben.

Allerdings stammen in Tron bei etwa 96 Minuten Laufzeit lediglich knappe 20 Minuten aus dem Rechner. Im restlichen Streifen gibt es neben Realaufnahmen auch noch reichlich traditionell  animierte 2D-Sequenzen und gezeichnete Hintergründe. Für die meisten Szenen aber fotografierte man die Schauspieler in einem Studio ab und dieses Filmmaterial wurde mit mehreren extrem aufwändigen technischen Verfahren soweit verfremdet, dass schließlich dieser einzigartige visuelle Stil entstand, den weder vorher noch nachher jemals ein Kinopublikum zu sehen bekam.  

Gerüchte über eine Fortsetzung oder ein Remake von Tron kursierten schon seit einigen Jahren im Internet, ehe 2008 auf der ComicCon in San Diego ein Proof-of-Concept-Clip gezeigt wurde, womit Disney den Nachfolger offiziell ankündigte. Es folgten Virale Werbekampagnen, Fake-Websites und sogar eine Stunt-Show in San Francisco. Die Meldung schlechthin war allerdings, dass Daft Punk, die sich ja bekanntlich nicht zuletzt in ihrem visuellen Stil auf Tron bezogen, den Soundtrack schaffen würden. Der erste Trailer wusste zudem sehr zu begeistern. Trotz äußerst durchwachsener Kritiken aus Übersee im Vorfeld, freute ich mich auch ob meiner nostalgischen Verehrung für das Original auf den Kinobesuch…  

„I’m not your father, Sam.“

Der Himmel über dem Raster

Es ist nun 20 Jahre her, seit Sams Vater und Encom-Firmenleiter Kevin Flynn (Jeff Bridges) spurlos verschwunden ist. Sam (Garrett Hedlund) hat die Suche nach ihm längst aufgeben. Obwohl er der Haupt-Aktionär des global agierenden Software-Unternehmens ist, hat er mit dem Geschäft praktisch nichts am Hut. Lediglich Motorradfahren und das Hacken von Systemen begeistert ihn.

Eines Nachts empfängt Sams langjähriger Vertrauter Alan Bradley (Bruce Boxleitner) eine Nachricht auf seinem alten Pager. Diese scheint von Kevin Flynn selbst zu stammen und führt Sam in ein verstaubtes Büro unter der Spielhalle. Von dort wird er in die Computerwelt des ‚Rasters‘ gesaugt, wo er sich erstmals in brutalen Gladiatorenkämpfen zu behaupten hat. Es stellt sich heraus, dass das Programm Clu, welches so aussieht wie Sams Vater, der absolute Herrscher über dieses digitale Reich ist.

Sam wird von Quorra (Olivia Wilde) gerettet, die ihn zum wahren Kevin Flynn bringt, der in der Einöde weit jenseits des Rasters ein Einsiedler-Dasein fristet. Die Freude über die Zusammenkunft ist nur kurz, denn bald schon wird sich das Portal schließen und somit auch die einzige Möglichkeit für Sam, einen Weg zurück in die reale Welt zurück zu finden. Da sein Vater ihm die Hilfe verweigert, macht er sich auf eigene Faust auf, um wieder nach Hause zu kommen…

„Don’t mess with my Zen!“

Die Zweidimensionalität einer Geschichte

Zugegeben, der originale Tron war von der Handlung her ein im Grunde reichlich naives Märchen, das mehr mit dem ‚Zauberer von Oz‘ zu tun hatte, als mit einer harten Cyberpunk-Trip, wie wir es spätestens seit Matrix (1999) kennen. Aber auf seine Art funktioniert er bis heute und auf seine Art bleibt er Kult. Tron: Legacy hingegen verlässt sich in weiten Teilen, wie leider nur allzu oft bei auf dem Reißbrett geplanten Blockbustern, auf Plattitüden, Beliebigkeiten und Klischees.

Was im ersten Drittel noch gut funktioniert mit schönen Reminiszenzen an das Original und einem halbwegs soliden Handlungsaufbau samt mitreißender Action, wird dann mit der ersten größeren Exposition durch die Figur des Kevin Flynn, der im Übrigen wie eine etwas ungelungene Mischung aus Obi-Wan Kenobi und dem Dude aus dem Coen-Hit The Big Lebowski (1998) wirkt, schnell zu einem konfusen bis langweiligen Runterleiern von all dem, was wir schon zigfach in vergleichbaren Genre-Produktionen gesehen haben: die weise Vaterfigur; das sexy Girl zur Belohnung am Schluss; der nur schwer zu tötenden Bösewicht mit einem wahnsinnigen Welteroberungsplan; die große Armee für den wahnsinnigen Welteroberungsplan; den so verrückten wie völlig unerwartet verlogenen Verräter; die platten Sprüche nach einer besonders coolen Aktion; etc., etc., etc.… Ja, man hat alles schon einmal irgendwo gesehen und das wenig Originelle und die paar guten Ansätze (Was zum Geier macht eigentlich die Isos so besonders, die eigentlich außer sterben offenbar nichts können?) gehen im sonst so vergessenswerten Story-Einerlei schnell unter.

Und so nebenbei sollte Tron: Legacy den Untertitel ‚Deus Ex Machina‘ bekommen, denn was die Drehbuchautoren da an zufälligen Begebenheiten und völlig irrationalen Handlungen der Figuren herbei biegen, tut fast schon körperlich weh. Nur um den Spannungsbogen irgendwie aufrecht zu erhalten und in die nächste Sequenz überzuleiten werden verdammt große Logiklöcher reihenweise ausgehoben. So etwas wie ‚Innere Glaubwürdigkeit‘ wird hier von den schreibenden Schöpfern geflissentlich ignoriert. Insgesamt fällt dieser Faktor aufgrund der Überfiktionalität des Stoffes und zwischenzeitlich wieder gelungeneren Elementen vielleicht nicht so extrem auf, aber für die etwas ernsthafteren Nachdenker im Kinosaal ist dieser Film eigentlich nichts.

Immerhin bei den meisten Action-Szenen kommt Tron: Legacy doch in die Gänge und nimmt einen mit. Speziell das wirklich toll gemachte Lightcycle-Rennen, welches sowohl von den Effekten her, als auch von der Inszenierung praktisch ein doppeltes Upgrade zu der entsprechenden Szene aus dem Original darstellt, weiß zu gefallen.

„Your old man’s about to knock on the sky and listen to the sound.“

Der Look und der Ton

Bei all den enormen Problemen die Tron: Legacy mit der erzählten Geschichte selbst hat, muss man einfach anerkennen, wie gänzlich beeindruckend die Visualisierung und das stilistische Design des Rasters gelungen sind. Dabei wurde dem Look des Vorgängers in gekonnter Weise eine Frischzellen-Kur verpasst, ohne dabei aber weder zu retro noch zu bemüht neumodisch zu wirken. Im Original zeichneten sich noch die Comic-Ikone Jean Giraud alias Moebius für die Kostüme verantwortlich, während der Illustrator Syd Mead, der alleine mit seiner Funktion als ‚Visual Futurist‘ für Blade Runner (1982) praktisch ewig im Kinogedächtnis bleiben wird, hauptsächlich die Fahrzeuge wie das legendäre Lightcycle schuf. Auf dem Fundament ihres künstlerischen Schaffens wird in Tron: Legacy eine neue Welt gezeigt, die einen wirklich fasziniert und beeindruckt. Allerdings nutzt sich das Staunen über die wunderbar durchdesignte Optik bis zum Schluss hin doch etwas ab. Dann beißen wieder die Schwächen des Drehbuchs und Tron: Legacy beginnt einen schnell anzuöden. Wirklich störend ist allerdings, dass Clu, also die verjüngte Version von Jeff Bridges, eine auffällig artifizielle Gesichtsanimation besitzt, die wenig realistisch wirkt. Dies hat man in anderen Produktionen,  wie zum Beispiel den ansonsten von mir äußerst geschmähten Der seltsame Fall des Benjamin Button, deutlich besser und glaubhafter gesehen.

Für mich höchst erfreulich ist aber auch die Tatsache, dass wir es in diesem Film endlich wieder einmal mit einem wirklich großartigen und eindringlichen Soundtrack zu tun haben. Neigen doch viele Großproduktionen der letzten Jahre zu reichlich beliebigen Klängen, die einem kaum im Gedächtnis bleiben, bekommen wir in Tron: Legacy mehrere Nummern zu hören, die einem tatsächlich Lust auf den Kauf der CD machen. Daft Punk zeigt hier wirklich, dass sie die perfekte Wahl für Tron: Legacy waren. Ihr kleines Cameo ist dabei natürlich ein Highlight für sich.  

Tron, what have you become?

5 / 10

Fazit von Spenz

Tron: Legacy hat wie sooft bei derlei geplanten Blockbuster-Produktionen ein massives Drehbuch-Problem. Alles muss immer etwas gefällig, etwas angepasst und etwas vorhersehbar sein, um ja das Publikum nicht anstrengen zu müssen und ja alle Zielgruppen zu bedienen (was man sich eigentlich nach einem Erfolg wie den von Inception inzwischen aber schon ersparen könnte). Die Autoren waren zudem auch noch so faul, dass sie auf eine innere Glaubwürdigkeit in weiten Teilen verzichtet haben und ständig die ‚Deus Ex Machina – Keule‘ hervorkramen mussten um die Handlung voranzubringen, was dann so holprig wie schwächelnd passiert. Die Ansätze sind da, es gibt ein paar gute Ideen samt schönen Anspielungen an das Original, aber die gehen schnell zwischen Klischees und Plattitüden verloren.

Lediglich die Action stimmt in weiten Teilen, besonders das Lighcycle-Rennen ist ein echtes Highlight. Ansonsten macht hie und da noch eine nette Szene etwas her, aber das ist insgesamt eindeutig zu wenig. Die Schauspieler bekommen auch nur wenige gute Sätze und selbst ein Jeff Bridges kann nur wenig Charisma versprühen. Der Rest des Casts fällt nur durch überzogenen, wenn auch gekonnt gespielten Wahnsinn auf (Michael Sheen) oder durch eine auffällige Sexyness in hautengen Anzügen (Olivia Wilde und Beau Garrett). Die Inszenierung selbst verweilt nur allzu sehr im gekonnten Mittelmaß. Und der 3D-Effekt hat mich ganz im Gegensatz zu Avatar mehr gestört als beeindruckt.

Nur das visuelle Design und der Soundtrack überzeugen auf ganzer Linie. Was das betrifft macht es doch öfters Spaß, Tron: Legacy anzuschauen und zuzuhören. In seinen besten Momenten wird man tatsächlich in diese andere, faszinierende Wirklichkeit entführt, die dann sogar eine eigene, dichtere Atmosphäre entwickelt. Aber dies geschieht viel zu selten. Ich kann daher den Film nur echten Genre-Fans empfehlen und all jenen, die ein Fable für tolles optisches Design haben. Alle anderen können sich aber das Ticket getrost ersparen.

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