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Elysium

Eigentlich sollte er ja Halo machen. Eine der erfolgreichsten Videospiele-Reihen von Microsoft befand sich jahrelang in der Vorproduktion, bis aber schließlich das Projekt primär wohl aus finanziellen Gründen aufgegeben wurde. Der südafrikanische Regisseur und Autor Neill Blomkamp hätte die prestigeträchtge und von Fans heiß ersehnte Adaption des SF-Egoshooters auf die Leinwand bringen sollen. Zuvor ist er durch eine Reihe von Kurzfilmen und Werbespots aufgefallen, die allesamt besonders in visueller Hinsicht beeindruckten. Niemand geringerer als Peter Jackson (Der Herr der Ringe, King Kong) nahm ihn schließlich unter seine Fittiche und aus der Kolloboration entstand die Science-Fiction-Dystopie District 9 (2009), die für schlappe 30 Millionen Dollar ein großartig animiertes Effekt-Gewitter, mitreißende Action-Einlagen, deftigen Splatter und ein hervorragendes Produktions-Design darbot. Formal und inhaltlich ebenso überzeugend besaß der Film einiges an Originalität und vermittelte zudem eine höchst sozialkritische Botschaft. Ein intensives Erstlingswerk, das auch an den Kinokassen efolgreich war. Für Genre-Fans wurde damit auch der Beweis erbracht, dass intelligente und actionreiche Hard-SF (wie etwa Terminator von 1984 oder Aliens von 1986) nach wie vor fürs Kino funktionieren kann.

2013 ist es schließlich Elysium, der mit einem dicken Hollywood-Budget (115 Millionen Dollar) und berühmten Hollywood-Darstellern (Matt Damon und Jodie Foster) den Zuschauer erneut in eine düstere Zukunft entführt. Mit gesteigerter Erwartungshaltung beschaute ich also die futuristische Mär, die von ‚denen da unten‘ gegen ‚die da oben‘ erzählt.

„In five days time, you will die. Thank you for your service.“

Das Inferno auf Erden und das Paradies im Himmel

Im Jahr 2154 ist der Planet Erde zu einem globalen Slum verkommen. Umweltzerstörung und Ausbeutung der Ressourcen haben die Luft vergiftet, fruchtbares Land verschwinden lassen. Der urbane Alptraum ist omnipräsent, fast die gesamte Menschheit in Verwahrlosung verdammt. Medezinische Versorgung gibt es kaum. Die wenigen Job-Möglichkeiten sind meist würdeloses Schuften in Mega-Fabriken.

Max (Matt Damon) hat ein langes Strafregister. Nachdem er einige Jahre im Gefängnis abgesessen hat, versucht er sich als Fließband-Arbeiter in die Gesellschaft zu reintegrieren. Aber er träumt wie jeder andere von der Raumstation Elysium, die im Orbit um die Erde kreist. Dort wohnen die Reichen und Mächtigen, das eine Prozent der Bevölkerung, die im überschwinglichen Luxus alles haben und auch dank spezieller Maschinen, die jegliche Erkrankungen in kurzer Zeit zu heilen vermögen, gänzlich unbeschwert und weit weg von den Armen, Kranken und Ausgebeuteten leben. Die Verteidigungsministerin Delacourt (Jodie Foster) bewahrt das künstliche Paradies um jeden Preis, womit sie die Tötung von Flüchtlingen, die in Raumschiffen ihr Glück versuchen und auf Elysium landen wollen, allzu leicht in Kauf nimmt.

Als Max bei einem Arbeitsunfall verstrahlt wird, bleiben ihm nur noch wenige Tage ehe er sterben muss. Eine heilende Wunderkammer auf Elysium ist der einzige Ausweg. Mit krimineller Unterstützung und einem implantierten Exoskelett wagt er es die Herrscher am Himmel anzugreifen…

„Don’t breathe on me. Cover your mouth.“

Dysfunktionale Dystopie

Eigentlich macht Elysium so ganz grundsätzlich betrachtet nichts falsch. In einer in sich glaubwürdigen Vision von der Zukunft wird inszenatorisch beeindruckend eine actionreiche Handlung präsentiert, die durchgehend starke und höchst sozialkritische Botschaften vermittelt. Das vergleichsweise hohe Budget sieht man. Die Darsteller fügen sich gut in ihre Rollen ein, wobei es neben Matt Damon und Jodie Foster fast noch mehr Sharlto Copley als fieser Bösewicht Kruger ist, der zu überzeugen weiß. Dieser hat übrigens vor seiner Hauptrolle in District 9 nicht einmal schauspielerisch für die große Leinwand agiert, was es natürlich umso beeindruckender macht, dass er so gut neben den Oscar-Preisträgern bestehen kann. Und von Neill Blomkamp weiß man eben, dass er sein Handwerk beherrscht und als Autor originell und provokant sein kann.

Und genau da liegt das Problem: beim Zeigen der Inhalte. Alles wirkt nämlich durchgehend etwas weichgespült, ein wenig zu harmlos, zu inkonsequent in der Darstellung der zentralen Themen. Ja, die Menschheit verkommt fast zur Gänze im Slum, aber die extreme Armut oder die allgegenwärtige Kriminalität wird nur wenig drastisch vermittelt. Ja, die Reichen und Mächtigen leben isoliert und überschwänglich auf Elysium, aber ihre Dekadenz sieht man höchstens ansatzweise, ihre brutale Ausgrenzungs- und Einwanderungs-Politik (vorwiegend allegorisch auf die USA bezogen, aber wohl längst nicht nur) wird nur in ganz wenigen Szenen deutlich. Die Extreme der Welten hätte mit deutlich mehr Wucht in die Magengruben der Zuschauer geschlagen werden müssen, alles hätte noch in sich stimmiger, in sich glaubwürdiger sein können, denn so bleibt man zu distanziert, drängt sich allein das Effekt-Spektakel zu sehr in den Vordergrund und man leidet kaum mit den Figuren mit.

Vor allem die Themen von Arm gegen Reich, Solidarität gegen Ausgrenzung oder eine menschenwürdige Existenz gegen industrielle Ausbeutung sind es ja mehr als wert, ja gerade zu dringlich in einer SF-Mär innerhalb des heutigen, sozialpolitischen Kontexts abzuhandeln (und dies war und ist stets eine Stärke der Science Fiction), aber Neill Blomkamps Drehbuch wirkt durchgehend so, als hätte er nie den entscheidenden letzten Schritt gewagt, als hätte es für Hollywood ja dann doch wieder braver sein müssen. Es ist schon interessant zu sehen, dass dystopische Genre-Filme, gerade aus den 70ern, hier wesentlich weiter gegangen sind. Solyent Green (1973) erzählt in äußerst drastischen Bildern von einer völlig überbevölkerten Welt. Rollerball (1975) vermittelt in prägnanten Szenen die reine Dekadenz der Konzern-Eliten. Und dies sind nur zwei Beispiele, die zeigen, wie motivisch ähnliche Genre-Filme eindringlicher Zustände von heute überhöht vorskizziert haben. In diesem zentralen Punkt versagt aber Elysium leider. Immerhin macht er in einer der kleinsten und zugleich besten Szenen anschaulich, dass ‚legal‘ und ‚illegal‘ zwei einfach austauschbare, im Grunde rein beliebige Zuordnungen sind.

„Would you like to talk to a human?“

Der fliegende Porsche als perfekter Effekt

Was Neill Blomkamp sowohl in District 9, als auch in seinen Kurfzilmen bewiesen hat, ist, dass er ein außerordentliches visuelles Gespür hat und Computereffekte perfekt in Szene setzen kann. Hier bewegen und agieren künstliche Wesen aus dem Rechner, vorwiegend Roboter, absolut glaubhaft und realistisch neben den realen Darstellern. Hier gibt es keinerlei Bruch mehr zwischen dem Tatsächlichen und dem Beigefügten. Natürlich gilt dies auch für sämtliche Raumschiffe oder die Ringwelt Elysium selbst.

Formidabelst ist überhaupt das gesamte Produktionsdesign. Man sieht deutlich, dass hier unter anderem der Genre-Veteran Syd Mead beteiligt war. Als ‚Visual Futurist‘ hat er bereits für Klassiker wie Blade Runner (1982), Tron (1982) oder Aliens (1986) Fahrzeuge, Waffen und ganze Stadtlandschaften entworfen. Das Auge ist schlicht erfreut ob der vielen technischen Wunder, die wunderbar ausgeleuchtet immer wieder zu sehen sind. Der harte Gegensatz zwischen der globalen Verwahlosung und dem Ideal eines Traums von Übermorgen wird so in äußerster visueller Intensität gezeigt.

„Activate Kruger.“

Letzte Originalität und logische Löcher

Es ist schon seltsam, wenn man sich den Film zur Gänze zu Gemüte führt, dass die meisten der originellsten und besten Momente jene sind, in denen Protagonisten das Zeitliche segnen oder Roboter zersplittert werden. Teils äußerst brutal in der Darstellung, beweist hier Neill Blomkamp, dass er jede Kampf- und Tötungsszene immer wieder neu und nicht zuletzt mit einer gewissen Portion an schwarzem Humor zu inszenieren weiß. Dabei ist dies im Verlauf der Handlung sehr gut aufgeteilt und wohl portioniert, wirkt nie zu viel, aber auch nie zu wenig.

Wo er hier wieder seine Stärken zeigt, versagt er an anderer Stelle dann doch wieder bei offensichtlichen Logikfehlern. So scheint Elysium über keinerlei primäres Verteidigungssytem zu verfügen, obwohl doch deutlich heraus gearbeitet wird, dass Flüchtlinge immer wieder den Versuch wagen, auf der Raumstation zu landen. Zu wenig gut beschützt werden offenbar auch die Priviligierten von ihren in gewaltigen Massen hergestellten Robotern. Mehr als zwei von ihnen auf einmal bekommt man pratkisch nie zu Gesicht. Exoskelette maximieren die Stärke des Trägers offenbar nur geringfügig. Und die Überwachungssysteme sind in ferner Zukunft nicht viel besser geworden.

Und es ist wieder der bekehrte, auserwählte Weiße, der allen zeigt wie die Welt gerettet werden muss und es ist wieder das hilflose Frauchen, das aus den Fängen des Bösen befreit werden muss.

„They will hunt you to the edge of the Earth for this.“

7 / 10

Fazit von Spenz

Ach, ich hätte mir von Elysium eigentlich deutlich mehr erhofft. Die Zutaten sind ja alle da. Budget, Darsteller, Produktionsdesigner und der Regisseur Neill Blomkamp, der sich allein mit District 9 bereits bewiesen hat, erschienen ja geradezu ideal um harte, mitreißende Science Fiction auf die Leinwand zu zaubern. Und ja, die Botschaften, die der Film vermittelt sind wichtig, die Themen um die er kreist, sind im heutigen sozialpolitischen Kontext höchst relevant. In weiten Teilen ist er ja durchaus überzeugend, die subversiven Tendenzen funktionieren im Prinzip.

Aber beim Drehbuch und in der harmlosen Darstellung der gesellschaftlichen Extreme versagt Elysium dann doch. Wiewohl nicht so sehr, dass es ärgerlich wäre oder man wirklich enttäuscht aus dem Kinosaal ginge. Viel Erinnerungswürdiges bleibt und neben den anderen Sommer-Blockbustern dieses Jahres besteht er sehr gut und überflügelt eindeutig die Konkurrenz in Vielem, aber das eintscheidende Quantum fehlt, der letzte Schritt, um mit voller Wucht in die Magengrube der Zuschauer zu schlagen und diese über die volle Länge in einem futuristischen Traum davon zu tragen. Viel ist es wahrlich nicht, was noch gefehlt hätte, aber dann ist es doch wieder merklich zu wenig. Das hohe Potential versiegt.

Eine Empfehlung muss ich aber in jedem Fall geben, denn die Ambition stimmt und diese sollte auch belohnt werden. Visuell bleibt Elysium ohne Zweifel beeindruckend und einen gewissen Eindruck hinterlässt er ja doch, auch wenn ich mir wirklich, wirklich noch mehr gewünscht hätte.

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