Kennt eigentlich jemand einen guten Rennsport-Film oder überhaupt einen, der in beeindruckender Weise das Formel 1-Milieu behandelt? Mir ist keiner bekannt, wobei ich generell kein besonderes Interesse für dieses Genre oder gar den Sport selbst hege. Spontan fallen mir lediglich der recht mediokre Tage des Donners – Days of Thunder (1990) mit Tom Cruise ein (wobei es dabei um NASCAR-Rennen geht) und der eher miserable Driven (2001) mit Sylvester Stallone und Till Schweiger ein. Im komödiantischen Bereich könnte man noch die Herbie-Reihe von Disney erwähnen (1968-2005) und als standartisierte Action-Reißer vielleicht noch die viel zu erfolgreiche The Fast And The Furious-Reihe (2001-2013). Nichts davon ist jedoch authentisch, nichts davon behandelt den Automobilsport oder gar die Formel 1 wie sie als tatsächliches Phänomen stattfindet oder stattgefunden hat.
Rush geht da einen gänzlich anderen und damit wohl den einzig richtigen Weg. Der österreichische Formel 1-Weltmeister Niki Lauda gilt als eine der Legenden seines Sports. Jahrelang hat er sich mit dem Briten James Hunt ein Duell auf dem Asphalt geliefert. Der amerikanische Regisseur Ron Howard, der Oscar-Werke wie A Beautiful Mind (2001) oder Blockbuster wie Illuminati (2009) geschaffen hat, beleuchtet die wohl schicksalhafteste Phase im Leben der beiden rasenden Wettkämpfer. Das autobiografische Drehbuch stammt von dem bereits mehrfach ausgezeichneten Peter Morgan, der unter anderem Die Queen (2006) und Frost/Nixon (2008) zu Papier gebracht hat. Gerade einmal 38 Millionen Dollar hat die deutsch-britische Produktion gekostet, die kürzlich in unsere Kinos kam.
„The closer you are to death, the more alive you feel. It’s a wonderful way to live. It’s the only way to drive.“
Der große Preis auf dem Asphalt
Niki Laudas Leben hätte eigentlich ein anderes sein sollen, zumindest wenn er dem Willen seiner so reichen wie bürgerlichen Familie gefolgt wäre. Er entschied sich aber anders, nämlich für das Cockpit eines Rennwagens. Nichts fasziniert den jungen Mann mehr als diesen so glanzvollen wie verrückten Sport. Mit James Hunt ist es nicht viel anders, allerdings ist er ein größerer Draufgänger als sein pragmatischer Konkurrent.
In der Weltmeisterschaft der Formel 1 von 1976 kommt es zum Höhepunkt im jahrelangen Duell der beiden. Es ist ein verbissener Kampf um Punkte von Rennen zu Rennen. Man schenkt sich nichts, aber auf dem Nürburgring in Deutschland kommt es zur schicksalshaften Wendung. Niki Lauda hat einen katastrophalen Unfall und überlebt nur mit schwersten Verbrennungen. Doch nur 42 Tage später und nach zwei verpassten Rennen fährt er wieder in seinem Ferrari-Wagen um den Sieg. Das letzte Rennen in Japan sollte schließlich entscheiden, wer der beiden der Bessere, der Triumphalere sei.
„Glück ist ein Feind.“
Benzin und Andrenalin
Selbst wenn man nichts von der Formel 1 hält und der Figur des Niki Lauda vielleicht sogar kritisch gegenüber steht, so schafft es Rush auf der ganzen Linie von Beginn an zu überzeugen und mitzureißen. Das Flair der 70er Jahre wird hier ebenso gut eingefangen wie die Dramatik der Rennen aus jener Periode, denn, und dies scheint heute fast unvorstellbar, es war allen Beteiligten klar, dass pro Saison ein bis zwei Fahrer sterben würden, so gefährlich, so verrückt, aber zugleich so faszinierend war dieses Spektakel. Natürlich sind es dann auch ganz andere Männerfiguren, die aus diesem Risiko heraus geboren werden und damit öffentlich wie privat immer an einer gewissen Grenzlinie existieren. Der Film könnte die konträren Protagonisten nicht glaubwürdiger darstellen, er könnte kaum eine authentischere Atmosphäre vermitteln.
Die Kameratechnik ist phasenweise brillant, ist sie doch immer ganz nahe am Geschehen, ja gar in den Helmen der Fahrer. Das Sounddesign vermittelt einem direkt auf der Rennbahn zu sein, so laut dröhnen einem die Motoren ins Ohr. Wenn sich dann noch der Regenschleier auf die Strecke legt oder unter den Reifen das Gras in den Kurven weggefetzt wird, dann feiert die Inseznierung des Regisseurs ihre Höhepunkte.
Dabei steht stets das menschliche Drama der Geschichte im Mittelpunkt, die vom Duell zweier Männer erzählt, die auch Ritter im Mittelalter oder geniale Schachspieler sein könnten, die sich gegenseitig bedingen, zu Höchstleistungen antreiben und dabei ihre Sterblichkeit herausfordern. Aber auch die Zwischentöne werden nicht vergessen, die Momente von Schwäche und Scheitern, von der Sehnsucht nach Erlösung und Bestätigung. Die große Zäsur ist natürlich der schreckliche, sehr drastisch dargestellte Unfall Laudas, der ihn beinahe umbringt und deutlich sichtbare Narben bis an sein Lebensende hinterlässt (Kompliment an die Make-Up-Artists an dieser Stelle). Jedoch wird der Kampf durch all dies noch intensivert und zeugt davon, welch eine imposante Figur dieser Mann doch ist, was er geleistet hat und wie er sich als Getriebener wieder auf die Rennbahn zwingt, ohne Kompromisse, ohne jemals aufgeben zu können.
„That wind you can feel is me breathing down your neck. Next time, I’ll have you.“
Und er spielt sie alle an die Wand
Insgesamt ist der Cast ein wahrer Glücksfall. Chris Hemsworth, den man wohl hauptsächlich in seiner Rolle des Thor (2011) kennen sollte, spielt James Hunt durchaus glaubwürdig und gemäß des Vorbilds. Ihn und alle anderen der Darsteller deutlich übertreffend liefert aber Daniel Brühl (Die fetten Jahre sind vorbei 2004, Inglourious Basterds 2009) wohl die Performance seines Lebens ab. Physisch, gestisch und mimisch ist er die perfekte Verkörperung von Niki Lauda. Selbst den Akzent und die tonale Intonierung bekommt er erstaunlich gut hin (was ich als Österreicher wohl ganz gut bewerten kann). Ich hoffe, dass dies mit einer Oscar-Nominierung honoriert wird.
Unbedingt hervorheben sollte man in den Nebenrollen aber allen voran die vielen formidablen Frauenfiguren. Olivia Wilde als das Supermodel Suzy Miller ist die wohl bekannteste Hollywood-Größe, hat man sie doch schon in Tron: Legacy (2010) oder Cowboys & Aliens (2011) gesehen. Serienfans erkennen Natalie Dorner als Geliebte von James Hunt sofort, denn in The Tudors (2007-2010) und Game of Thrones (seit 2012) hat sie bedeutende Rollen. Letztlich ist es aber vor allem Alexandra Maria Lara, die als Ehefrau Nikis nicht zärtlicher wirken und zugleich strahlender sein könnte. Sie hat sich speziell mit deutschen Produktionen wie Der Untergang (2004) oder Der Baader Meinhof Komplex (2008) einen Namen gemacht. International hat sie mir besonders in Control (2007) sehr gut gefallen.
„The risk of death turns people on.“
Fazit von Spenz
Rush ist der wohl einzige wirklich authentische Film über das Formel 1-Phänomen in den 70er-Jahren oder überhaupt der einzige, der Faszination zum Motorsport glaubwürdig vermitteln kann. Die hohe Qualität in der Produktion und in der Inszenierung trotz des eher kleinen Budgets spricht umso mehr für dieses Werk, das nicht mitreißender sein könnte. Der autobiografische Kern vom Duell zweier Verrückter auf dem Asphalt macht gewiss den Film erst zu dem, was er ist, denn die Substanz stimmt und sie wird höchstens ein wenig simplifiziert, aber nicht im Geringsten hollywoodgerecht verzerrt, sondern bleibt sich und der Wahrheit jener Zeit und jener Männer treu. Und natürlich ist es nicht zuletzt Daniel Brühl, der hier als Niki Lauda die beste darstellerische Performance seiner bishergen Karriere abliefert, der dieses Drama zu einem der absoluten Highlight des Jahres werden lässt.
Wenn man Rush etwas vorwerfen kann, dann dass er zwischendurch ein wenig mehr wie eine aufwändige Fernseh-Folge als wie großes Kino anfühlt. Gewiss liegt dies auch an den finanziellen Einschränkungen, aber das Drehbuch hat in einigen, wiewohl sehr wenigen Szenen gewisse Schwächen. Dann sind die Dialoge etwas zu platt oder die Charaktere bleiben etwas zu beiläufig, bekommen etwas zu wenig Raum, wobei dies niemals für die Figur des Niki Lauda gilt, der nicht zuletzt in den Pressekonferenzen von damals die besten Sätze ohnehin selbst gesagt und damit für das Skript geschrieben hat.
Rush kann somit uneingschränkt empfohlen werden, sogar oder gerade solch Motorsport- und Formel 1-Muffeln wie mir.
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