Twilight: das englische Wörtchen bringt Millionen und Abermillionen von schmachtenden, weiblichen Teenies zum Schreien (und ein paar reifere Frauen werden wohl auch dabei sein) und seit einiger Zeit auch die Hollywood-Kassen ordentlich zum klingeln. Das Phänomen von Twilight hat seine Anfänge im Jahre 2005, als die US-amerikanische Autorin Stephenie Meyer den ersten Teil ihrer Roman-Tetralogie mit dem gleichnamigen Titel veröffentlichte. Es folgten noch New Moon, Eclipse und Breaking Dawn (im deutschsprachigen Raum unter dem Titel Bis(s) zum Morgengrauen usw.). Diese sogenannte Twilight Series, die von der jugendlichen Liebe zwischen einer Sterblichen und einem Vampir erzählt, wurde zu einem absoluten Bestseller weltweit. So etwas kann Hollywood-Studios nicht entgehen und da Fantasy-Sagas wie Harry Potter oder Herr der Ringe auf der Leinwand gar prächtig funktioniert haben, kam es zur ersten Filmumsetzung im Jahre 2008. Natürlich wurde dieser zum erwarteten Blockbuster. Bei einem mickrigen Budget von 37 Millionen Dollar ergab sich ein globales Gesamteinspielergebnis von beeindruckenden 393 Millionen Dollar. Kristen Stewart als Bella und Robert Pattinson als Vampir Edward wurden zu umjubelten Stars. Die Fortsetzungen folgten und der enorme Erfolg bleibt bis heute ungebrochen.
Nun feierte kürzlich der erste Teil des Finales der Saga seine Premiere in unseren Kinos. Der letzte Band wurde natürlich in zwei Filme gesplittet, um die Kuh noch länger zu melken und die Millionen doppelt fließen zu lassen. Demnach müssen sich die Fans bis November 2012 gedulden, ehe die gesamte Reihe auf der Leinwand abgeschlossen wird. Die ersten beiden Teile habe ich mir unlängst im TV sehr bewusst ‚angetan‘ um eventuell zu begreifen, was denn so großartig am Twilight-Phänomen sein könnte. Allerdings vermochte ich die Kombination aus furchtbarem Kitsch und der lächerlichen Darstellung von Vampiren sowie Werwölfen nur mühsam ertragen. Mit einer entsprechend vorsichtigen und äußerst niedrigen Erwartungshaltung begab ich mich daher ins nahegelegene Lichtspielhaus um mir Breaking Dawn – Teil 1 anzuschauen. Am Ende der Vorstellung verließ ich geradezu entsetzt den Kinosaal…
„It’s crushing you, from the inside out.„
Eine Vampir-Hochzeit, brutaler Sex und ein mörderischer Fötus
Endlich werden Bella und Edward heiraten. Eine Traumhochzeit wie aus dem Bilderbuch findet statt und nichts könnte das Glück des jungen Paares noch irgendwie schmälern. Natürlich ist klar, dass Bella auch zum Vampir werden muss, wenn auch nicht sogleich und erst nach den Flitterwochen. Der Werwolf Jacob ist davon alles andere als begeistert. Er fürchtet um das Leben von Bella.
Auf einer Insel nahe der brasilianischen Stadt Rio de Janeiro soll ‚es‘ endlich passieren. Der erste Sex erweist sich jedoch als nicht ganz ungefährlich für die sterbliche Frau. So schön die gemeinsame erotische Erfüllung für beide auch sein mag, aber die ungezügelte Wildheit des Vampirs bringt ihr blaue Flecken ein und das Bett zersplittert auch bereits nach der ersten Nacht. Den Rest der Zeit verbringt man übrigens mit aufregendem Schachspiel und viel Rumgeplansche im Wasser. Da passiert das Unerwartete: Bella wird aus unerklärlichen Gründen schwanger. Das heranwachsende Wesen in ihr beginnt sie langsam aufzuzehren und es wird schnell klar, dass sie die Geburt des Kindes nicht überleben kann.
Zurück in den Staaten auf dem Anwesen von Edwards Familie, den Cullens, suchen alle gemeinsam nach einer Lösung. Bella besteht bei aller Gefahr darauf das Kind zu bekommen. Längst haben die Werwölfe davon erfahren und wollen die möglicherweise gefährliche Ausgeburt töten und alle, die sie daran hindern könnten. Jacob jedoch entscheidet sich dafür, Bella zu beschützen und sie gegen seine Brüder zu verteidigen. Das Drama spitzt sich zu und ein Kampf ist unausweichlich…
„No measure of time with you will be long enough. But we’ll start with forever.„
Langeweile und Entsetzen
Ich wollte Breaking Dawn – Teil 1 wirklich eine Chance geben. Ich habe mir natürlich so gut wie nichts erwartet in filmisch qualitativer Hinsicht, aber ich dachte, vielleicht gelingt dem Regisseur Bill Condon (Gods and Monsters, Kinsey) eine ansatzweise interessante Inszenierung und der Drehbuchautorin Melissa Rosenberg (Dexter) ein irgendwie spannender Handlungsbogen. Beides mag man mit mildestem Blick und zwei zugedrückten Augen tatsächlich in den ersten zwanzig Minuten erkennen. Hie und da verirren sich sogar witzige Sätze in die Dialoge. Kristen Stewart zeigt tatsächlich etwas von ihrem darstellerischen Talent und erweist sich durchaus sympathisch. Die romantischen Bändeleien und das Beziehungsgeflecht zwischen den Figuren ergeben kurzzeitig sogar ein bisschen Sinn. Aber spätestens mit Szenen in den Flitterwochen geht es mit Rekordgeschwindigkeit in filmische Untiefen der allerletzten Güteklasse.
Breaking Dawn – Teil 1 verbreitet irgendwann nur furchtbar zähe Langeweile, die noch dazu auf billigstem Seifenopern-Niveau inszeniert wird. Die schauspielerischen Leistungen sind schlecht, die Effekte sind höchstens Mittelklasse und die Kameraführung entspricht dem TV-Niveau von vor zwanzig Jahren. Da mir die Figuren herzlich egal sind, die eigentlichen Spannungsmomente sich als äußerst rar gesät erweisen und die Dialoge im besten Fall ein müdes Grinsen hervorlocken können, will sich einfach bei mir kein Hauch von Interesse für das Dargebotene einstellen. Sie spielen Schach, planschen rum, schmusen ein wenig und der keuschest inszenierte Sex ist mit Edwards Leidenschaftsausbrüchen, die hauptsächlich gegen die Schlafzimmer-Möblierung gerichtet sind, eher unfreiwillig lächerlich. Dann wird wieder viel rumgejammert, minutenlang in die Kamera gestarrt und jede Nuance des Minenspiels wird uns als etwas Bedeutungsvolles präsentiert. Schließlich kommt der Twist mit Bellas unerwarteter Schwangerschaft und ab dann wird es wirklich äußerst absurd bis grenzwertig bizarr.
Der Film mutiert vom romantischen Herumgeeiere zu einem milde inszenierten Body-Horror. Dabei bleibt Bellas Motivation, den sie verzehrenden Vampir-Mutanten unbedingt gebären zu wollen, ebenso im Dunklen, wie die dringliche Frage, wie ein Untoter eine Lebende überhaupt zu schwängern vermag. Die putzigen Werwölfe bekommen einige lächerliche Szenen spendiert, die in minutenlangem, telepathischem Disput bei gleichzeitigem Herumgeknurre gipfelt. Als der mörderische Racker aus dem verzehrten Körperchen von Bella herauszubrechen droht, wird ein vampirischen Kaiserschnitt (!) mit den Fangzähnen durchgeführt, was sich als einer der bizarrsten Momente erweist. Es folgen noch weitere absurde Szenen, bis hin zu einem der schlechtesten Cliffhanger der Filmgeschichte, weil sich die Dramaturgie völlig erschöpft hat und es kaum Handlungsfäden gibt, die einer Fortsetzung bedürfen oder einen gespannt darauf verharren ließen.
„You have to accept this for what it is.„
Die gefährlichen Botschaften
Das für mich schlimmste Element an Twilight ist aber die mormonische Botschaft mit einer überaus bedenklichen Ideologie dahinter. Die Frauenfigur hat stets in ihrer passiven Opferrolle zu verweilen. Sie gibt sich in totale Abhängigkeit, vor allem in emotionaler Hinsicht, zu den Männerfiguren, die sie noch dazu mit ihrem bestialischen Wesen und den jeweiligen mörderischen Gesellschaften (Vampire und Werwölfe) bedrohen. Sie zeigt kaum Initiative, wird permanent auf verschiedenste Weisen verletzt und darf sich ihrer körperlichen Leidenschaft nicht hingeben. Enthaltsamkeit ist eine notwendige Pflicht. Die männlichen Figuren wiederum sind romantisch überhöhte und körperlich perfekte Poster-Boys, die vor kuscheliger Sensibilität ebenso strotzen wie vor animalischer Potenz.
Sex vor der Ehe ist sowieso verboten (Begehren ja, Erfüllung nein). Sex in der Ehe ist brutal und schmerzhaft. Verhütung ist ohnehin kein Thema. Schwangerschaft ein Horror-Trip, den es durchzustehen gilt. Abtreibung praktisch ein undenkbares Vergehen gegen das ungeborene Leben (man bedenke, wie im Film das Wort Fötus nicht genannt werden darf und es unbedingt Baby heißen muss), egal wie gefährlich für die werdende Mutter. Die Frau kann nur im Leiden rein bleiben.
All das wird uns in einer Light-Variante des Horror-Films mit Fantasy-Einschlag und einem vor überhöhter Romantik triefendem Kern verpackt. All das ist für all die Millionen jungen, heranwachsenden Mädchen eine alles andere als empfehlenswerte Botschaft, die so gut wie nichts mit einem selbstständigen, emanzipierten, weiblichen Frauenbild des 21. Jahrhunderts zu tun hat. Selbst bei allem Verständnis dafür, dass mit Twilight durchaus in nicht gänzlich ungeschickter Weise die Ängste und Sehnsüchte der heutigen Teenie-Generationen bedient werden, wird hier in erster Linie ein pseudoreligiöser Schuldkomplex befördert, den es an sich zu überwinden gilt und der weder etwas in der Jugendliteratur noch in ganz bewusst konzipierten Blockbustern für bestimmte, leicht zu beeinflussende Zielgruppen zu suchen hat.
Wenn man dies alles zu Ende denkt (auch wenn vielleicht etwas weit hergeholt), so werden durch diese mediale Darstellung die Selbstbilder und Erwartungshaltungen von jungen Frauen dermaßen deformiert, dass ‚gesunde‘ Sichtweisen zu Körperlichkeit und Partnerschaft verunmöglicht werden. Erwachsene, gereifte Beziehungen würden darunter leiden oder gar verhindert und somit auch das andere Geschlecht betreffen, welches den überhöhten Projektionen von Männlichkeitsidealen gar nicht entsprechen kann. Wobei ich möchte dabei betont nicht Twilight alleine für diese Theorie heranziehen, aber als symbolische Ausformung für einen popkulturellen Meta-Trend, der durch so einige Faktoren der Postmoderne gespeist wird, sehr wohl.
„Sorry rough night! I had a nightmare!„
Fazit von Spenz
Breaking Dawn – Teil 1 hat mich in erster Linie furchtbar gelangweilt. Die Figuren sind mir egal, die Spannungsmomente sind kaum vorhanden und die Handlung ist vergessenswert. In den belanglosen Dialogen verirren sich nur gelegentlich witzige Zwischentöne. Das Schauspiel wäre in einer serienüblichen Seifenoper besser aufgehoben, während die Inszenierung nicht über ein TV-Niveau von vor zwanzig Jahren hinauskommt, was bei einem Budget von über 100 Millionen Dollar schlicht erbärmlich ist. Das romantische Getue bleibt unglaubwürdig. Die Darstellung der mythischen Horror-Wesen ist lächerlich.
Breaking Dawn- Teil 1 hat mich schließlich nach seinem Twist in das Body-Horror-Genre fast schon entsetzt, da es zu reihenweise völlig abstrusen Szenen kommt, die man in seiner qualitativen Minderbemitteltheit in einem derartig aufgeblasenen Blockbuster-Film noch nie zu sehen bekommen hat. Mehrfach habe ich mich auf den Kopf greifen müssen, ob des Dargebotenen und in einem entsprechenden Zustand des Unglaubens verließ ich schließlich auch die Vorstellung.
Breaking Dawn – Teil 1 präsentiert uns aber auch auf höchst bedenkliche Weise ein fragwürdiges, unselbstständiges, entsexualisiertes Frauenbild, das über das bloße Opfertum für die Begierden von Männern und dem Anti-Abtreibungs-Dogma nicht hinauskommt. Die emotionale Abhängigkeit wird ebenso glorifiziert wie körperliche Enthaltsamkeit und gehorsame Unterwürfigkeit.
Insgesamt muss ich in jedem Fall von diesem Machwerk, wenn nicht sogar von der ganzen Twilight-Reihe gänzlich abraten. Vielleicht habe ich schon schlechtere Filme gesehen, aber langweiligere und inhaltlich bedenklichere kaum.
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