Bond. James Bond. Seit 50 Jahren existiert diese Überfigur des Geheimagenten 007 im Dienste Ihrer Majestät auf der großen Leinwand. Der Schriftsteller Ian Fleming hat ihn 1953 erfunden und als Helden für mehrere Romane und Kurzgeschichten kreiert. 1962 war es Sean Connery, der ihn in James Bond jagt Dr. No zum allerersten Mal darstellerisch auf so prägende Weise verkörperte.
Über die Dekaden hinweg folgten 21 weitere Teile, von denen einige als zeitlose Klassiker gelten, andere wiederum (wohl nicht nur in meinen Augen) als eher miserabel bezeichnet werden dürfen. Aber stets waren die einzelnen Filmwerke der James Bond-Reihe vor allem dies: ein Spiegel der Popkultur, Repräsentanten der jeweiligen soziopolitischen Ära und cineastische Knotenpunkte des massentauglichen Action-Kinos. All dies mag durchaus graduell unterschiedlich präzise zum Ausdruck kommen, aber gänzlich zu ignorieren ist dieses Phänomen in seinem gesamten Kontext wohl kaum. Ein neuer Bond ist immer ein kleines filmisches, wenn nicht gar multimediales Ereignis.
Daniel Craig ist nun zum dritten Mal der ‚Neue‘. In Casino Royale (2006) wurde nach dem regelrechten Totlaufen der Franchise mit Pierce Brosnan (und dem furchtbaren Stirb an einem anderen Tag von 2002) ein Neustart gewagt. 007 erfährt, historisch wiewohl losgelöst, seine Vorgeschichte und mit Skyfall ist er wieder am Anfang angelangt.
„007 reporting for duty.“
Death and Rebirth
Der MI6 hat James Bond (Daniel Craig) und Eve (Naomie Harris) in die Türkei entsandt um ein Festplatte wiederzubeschaffen, die alle Identitäten von NATO-Agenten in terroristischen Organisationen enthält. Der Einsatz misslingt und 007 zieht es danach für einige Zeit vor von der Bildfläche zu verschwinden. Schließlich wird das Hauptgebäude des MI6 Ziel eines Anschlags. Offenbar sollte auch ‚M‘ (Judi Dench), die Chefin des Auslandsgeheimdienstes, dabei zum Opfer werden. James Bond, der nach einer Verletzung nicht gerade in Topform ist, entschließt sich zur Rückkehr um Jagd auf den Drahtzieher hinter all den Terrorakten zu machen. Nach einem Ausflug nach Shanghai soll er ihm (Javier Bardem) auch begegnen…
„England… Mi6… so old-fashioned!“
Old School is New School
Wer an James Bond bisher die überzogene Action, aberwitzige Dialoge, etwas arg verquere Bösewichte und die gigantischen Schauplätze geliebt hat, wird wohl mit Skyfall nicht so ganz warm werden. Hier ist alles einen Gang runter geschaltet, alles etwas dezenter, zurückhaltender, subtiler. Dies betrifft sowohl die gesamte Inszenierung mit ausladenden Dialog-Szenen, als auch die angenehm unaufgeregte Kameraführung bei den Action-Sequenzen.
Freilich gibt es noch hastige Verfolgungsjagden und schnelle Schussduelle, aber die kommen (fast) ganz ohne PKWs mit Raketen unter der Kühlerhaube noch mit Laserwaffen in Armbanduhren aus. Natürlich ist alles nach wie vor einen deutlichen Tick ‚larger than life‘, sowohl was die Figuren, das Setting und überhaupt die Handlung betreffen, aber in Skyfall gelingt praktisch die Quadratur des Kreises, indem der neue, ‚realistischere‘ Bond von 2012 eine gelungene Symbiose mit dem alten, ‚traditionellen‘ Bond von 1962 eingeht. Fast scheint es so, als hätte 007 nach einer inneren Läuterung (tatsächlich auf inhaltlicher Ebene) und einer deutlichen Verwirrung (wie u.a. dem Vorgänger Ein Quantum Trost oder dem sonst formidablen, aber etwas zu ‚Bourne‘-lastigen Casino Royale) nun endlich sein eigenes Selbstbewusstsein und seine ureigene Stilsicherheit (wieder)gefunden.
Wobei, diese von allem losgelöste popkulturelle Meta-Figur war ja schon immer ein virtuelles Chamäleon der Moderne, also bitte nicht zu ernst nehmen, den Charme an den richtigen Stellen erkennen und sich gerne bei ein wenig Quatsch zwischendurch schuldlos unterhalten fühlen. Ja, Bond macht endlich wieder richtig Spaß, nicht zuletzt wenn man sich als Kenner am ausladenden Zitaten-Reigen zu erfreuen weiß. Auch und besonders weil nun etwas Ambivalenz hinzu gekommen ist. Eine gewisse Gebrochenheit, Verlorenheit und deutliche Skrupellosigkeit neben all seinem Macho-Gehabe ist nun auch vorhanden. Alter und Verletzlichkeit lassen sich selbst bei einer Figur wie dieser nicht ewig leugnen. Und der psychopathische Gegenspieler hat hier durchaus menschliche, ja sympathische Züge, wobei ein wenig versteckt freilich.
„What did you expect, an exploding pen?“
Nobody is perfect, except…
Mit etwas kritischem Auge macht einen der neue Bond doch nicht vollkommen glücklich. Phasenweise holpert es ein bisschen im Drehbuch und die innere Logik wird manchmal auch etwas zu viel gebogen. Kleinere Längen zwischendurch bremsen den ansonsten sehr gelungenen Rhythmus. Merklich störend empfand ich besonders den finalen Umgang mit dem Bond-Girl Sévérine, nicht zuletzt weil die Darstellerin Bérénice Marlohe wirklich zu überzeugen wusste. Hier hätte man gerne mal mit einer gewissen Tradition durchaus brechen können.
Zwei darstellerische Leistungen müssen aber freilich noch erwähnt werden: erstmals Javier Bardem, der hier als Raoul Silva einen der erinnerungswürdigsten Fieslinge der gesamten Reihe verkörpert. Sehnsucht nach der verlorenen Unschuld zeigt er genauso wie berechnenden Irrsinn. Beides vereint spielt er auf seine eigenwillige Weise mühelos vor der Kamera. Außerdem darf er an Bonds ansonsten unzweifelhafter Heterosexualität ein wenig ankratzen, was natürlich zu eine der witzigeren Szenen führt.
Und Daniel Craig hat für mich inzwischen die Qualitäten eines Sean Connery zu seinen besten Bond-Zeiten erreicht. Dieser Eindruck entsteht nicht nur aufgrund seiner physischen (respektive gealterten) Präsenz, sondern auch wegen des dezent zurückhaltenden Schauspiels, bei dem sich die großen Emotionen im subtilen Mienenspiel verbergen und dabei das richtige Maß an englischem Charme nicht zu kurz kommt. In Skyfall hat Craig seine Vervollkommnung von 007 erreicht und damit Anschluss an die Granden Connery und Moore erlangt. Noch ein, zwei feine Filme mehr und der Fan darf sich an einer neuen Bond-Ikone erfreuen.
„What do you say about a man like that?“
Fazit von Spenz
Für mich ist Skyfall der beste Bond seit Jahren, der beste Bond der bisherigen ‚Craig-Trilogie‘ und überhaupt im Gesamtwerk von 50 Jahren Bond mit lustvollem Zitieren der gelungene Anschluss an den Beginn der Reihe, bei gleichzeitigem Etablieren einer neuen Qualität, einer neuen Bildsprache und einem neuen Zugang zur Meta-Ikone 007.
Ich war ja im Grunde nie ein besonderer Fan des britischen Geheimagenten, auch wenn ich seine cineastische Relevanz immer anerkannt habe. Zu oft glitten für mich das Setting und die Handlung vergangener Teile in quietschig-bunte Lächerlichkeiten ab. In Skyfall jedoch ist er da: der Charme, der Witz und der Stil von Bond in seinen besten Zeiten. Und dies alles bei einer gelungenen Inszenierung, spannender aber nicht zu überzogener Action und teils hervorragend geschriebenen Dialogen und zumindest interessanten, wenn nicht gar faszinierenden Figuren.
Skyfall ist für viele Bond-Fans und Bond-Sympathisanten das vielleicht größte Bond-Fest seit langer Zeit. Allen anderen kann ich ihn auch nur empfehlen. In jedem Fall aber ein Highlight im Kino-Jahr 2012.
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