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Star Trek: Into Darkness

Eigentlich bin ich gar kein ‚richtiger‘ Trekkie. Aber ich bin mit Star Trek aufgewachsen. Bereits als Kind faszinierten mich die Abenteuer von Captain Kirk und seiner Crew an Bord des Raumschiffs Enterprise. Das futuristische Setting jenseits der Sterne begeiserte mich, beflügelte meine Fantasie und ließ mich von Geschichten aus der Zukunft träumen. Überhaupt war die sogenannte The Original Series (TOS), die erstmals in den Jahren 1966 bis 1969 ausgestrahlt wurde (danach zigfach wiederholt in aller Welt) und die Geburt eines jahrzehntelangen multimedialen Phänomens darstellt, meine erste, besonders erinnerungswürdige Einführung in das Science Fiction-Genre. Der große Gene Roddenberry (1921-1991) war der Visionär von Star Trek, der als Schöpfer, Produzent und Drehbuchautor für das Original, Star Trek: Next Generation (1987-1994) und einer Reihe von Kinofilmen wie Star Trek: Der Film (1979) oder Star Trek II: Der Zorn des Khan (1982) fungierte. Millionen und Abermillionen Fans haben dieses Universum in 726 Episoden (diverser Serienableger), 12 Kinofilmen, zahlreichen Computerspielen, Büchern, Comics und nicht zuletzt in einem Meer von Merchandising-Artikeln kennen und lieben gelernt, sind abgetaucht in dieses ‚Nerdvana‘ und bezeichnen sich gerne auch Mal mit Stolz als sogenannte ‚Trekkies‘. Tatsächlich bekennen sich auch viele Wissenschaftler dazu, von Gene Roddenberrys Visionen inspiriert worden zu sein. Das erste Space Shuttle hieß nicht umsonst ‚Enterprise‘. Eine Welt ganz ohne Star Trek erscheint mir tatsächlich unvorstellbar.

Es lässt sich jedoch schwer leugnen, dass nicht zuletzt die Kino-Reihe ihre qualitativen Tiefpunkte hatte. Unter der Regie von William Shatner (ja genau, Mr. Kirk himfself) entstand ein Machwerk wie Star Trek V: Am Rande des Universums (1989), welches das Zitat aus der Serie Bing Bang Theory (seit 2007) durchaus verdient hat: „Star Trek V is the standard against which all badness is measured!“ In meinen Augen überboten (nicht im Guten freilich) wurde dieser aber noch von Star Trek: Nemesis (2002), in dem im übrigen wie schon seit längerer Zeit die Crew von Next Generation das Ruder übernommen hatte. Nachdem die neue Serie Star Trek: Enterprise (2001-2005) schließlich aufgrund zu schlechter Quoten abgesetzt wurde, schien Gene Roddenberrys Universum zumindest auf der Leinwand und im Fernsehen erstmals Geschichte zu sein.

Bis im Jahre 2009 ein gewisses Hollywood-Wunderkind mit Namen J.J. Abrams (Lost, Mission Impossible III) samt seinem Autoren- und Produzententeam (u.a. Damon Lindelof) Star Trek einen kompletten Reboot verpasste. Der Film, welcher von einem jungen Kirk und den ersten Reisen seiner Mannschaft an der Bord der Enterprise in einer alternativen Zeitlinie erzählt, begeisterte Fans und Publikum und kann durchaus als gelungener Neustart bezeichnet werden. Star Trek: Into Darkness ist nun die Fortsetzung dieser neuen Reihe. Mit gesteigerter Erwartungshaltung begab ich mich ins Kino und befand diesen, wenn auch aus sehr vielschichtigen und komplexen Gründen, für eine regelrechte Entstellung von Gene Roddenberrys Vision. Im Folgenden, mit zahlreichen Spoilern übrigens, möchte ich in formaler Hinsicht eine etwas andere Art von Kritik darbieten.

„…to boldly…“

Nerd vs. Mainstream

Zu Beginn dieser dezenten Polemik sei ein berühmter Romulanischer Senator aus der Serie Deep Space 9 (In Pale Moonlight) in Wort und Ton paraphrasiert:

“It’s a shiiiiiiiiiit!“

„Warum?“ mag der unbedarfte Kinogucker fragen, der nicht mehr als 20 Jahre seines Lebens in gesteigerter Leidenschaft für sein Trekksches Nerdiversum verbracht hat. „Warum?“ mag aber auch der durchaus kennende Kenner fragen, der mehr als 20 Jahre seines Lebens in gesteigerter Leidenschaft für sein Trekksches Nerdiversum verbracht hat, mit allen nur erdenklichen qualitativen Höhen und Tiefen der filmischen und seriellen Ausprägungen.

Die Antwort?

Die Mainstreamisierung des SF-Nerdtums dank der Abrams/Lindelof-Gang, die wie die Heuschrecken über jede große, seit Jahren und Jahrzehnten bestehende Franchise jenseits der Sterne herfallen, sei es Star Trek, Alien oder demnächst Star Wars, diese gattbügeln, die Visionen darin offensichtlich nicht erkennen oder ignorieren, jede Schrulligkeit, jede möglicherweise überfordernde Idee, jede innere Glaubwürdigkeit und jeden Kern an Genialität herausnehmen und auf das massentaugliche Skelett eines austauschbaren Action-Gehopses reduzieren, das nur zufällig im jeweiligen Universum spielt. Die Abrams/Lindelof-Gang sind parasitäre Räuber, die sich am Schatz des Nerdtums laben, diesen aushöhlen um mehr Geld zu machen und sich daran ergötzen, wie clever, toll und erfolgreich ihre durch den Mainstreamisierungs-Fleischwolf gedrehten Unterhaltungsprodukte doch sind. Das breite Publikum frisst es und die Nerds fressen es auch. Yeah!

Achja, und Orci/Kurtzman als mitschreibselndes Autoren-Team sind die nachhächelnden Hyänen an der Goldkette von Michael Bay, die so nebenbei alle Transformers-Teile aufs Papier gekotzt haben…

„…go…“

Die Jump & Run-Endlosschleife

Warum ist denn nun Star Trek: Into Darkness eigentlich so furchtbar miserabel? Längere Zeit ist der Film ja garnicht miserabel, oder überhaupt nicht miserabel, wenn man auf Star Trek als Vision per se pfeift, auf Originliatät verzichten kann und sich nur unterhalten will. Spätestens nach der Hälfte der Laufzeit sollte einem aber so oder so eine Sache auffallen: jede der aufeinander folgenden Sequenzen ist exakt gleich aufgebaut, nämlich formal in der Leinwand-Variante eines übermäßig actionreichen Jump & Runs, in dem lediglich die eher irrelevante Hintergrund-Szenerie mit einem fast austauschbaren Figuren-Set wechselt, dabei die Errettung immer in der allerletzten Sekunde erfolgt und dazu werden natürlich die genau passend-witzigen Sprüchlein präsentiert. Sei es ein explodierender Vulkan auf einem fremden Planeten, ein Schlachtfest mit Klingonen auf Kronos, ein Torpedo mit tickender Zeitbombe auf einem Mond, ein Trümmerfeld zwischen zwei Schiffen in der erdnahen Umlaufbahn, eine Prügelei auf einem schwebenden Fahrzeug über der Skyline von San Francisco: it’s all but the same (shit).

Dies ist im Übrigen die absolute Antithese zu jenem Rythmus, dem Star Trek selbst in seinen actionreicheren Ausflügen inhärent ist. Ein gewisser konzentrierter Aufbau, ja fast ein gewisses Maß an Gemächlichkeit oder zumindest längeren Phasen mit deutlich eingebremstem Erzähl-Tempo waren für diese Franchise immer wichtig.

Star Trek: Into Darkness hingegen wurde primär mal für coole Trailer gedreht mit passenden Action-Szenen, lustigen Onelinern, einer halbnackten Frau und einem bösen Bösewicht mit bösen Onelinern. Alles schnell geschnitten auf den empfänglichen Geek und das restliche, weltliche Gefolge einprasselnd. Als Konzept-Schablone für den eigentlichen Kinofilm wurden erstmals die einzelnen Action-Szenen geplant, dann die Dialoge irgendwie reingewurschtelt und alles mit einer Handlung nach Schema F verknüpft. Und ach wie clever dabei nicht diese vielen, tollen Anspielungen an die vorangegangenen Star Trek-Filme und TOS sind! Da haben sich die Autoren ja wirklich mal um was bemüht und sich der alten Trekkies für ein paar Sekunden zwischendurch erbarmt. Ja, werte Geek-Minderheit, auch wir haben Der Zorn des Khan gesehen! Seht nur, wie wir die halbe Handlung davon neu verwurstet haben und wie clever wir gewisse Szenen gespiegelt haben! Applaus, bitte! Danke!

„…where…“

Regeln sind Regeln

Was Star Trek immer ganz besonders ausgezeichnet hat, war ein einheitliches Set an Regeln (die wiewohl auch gerne mal etwas gebogen wurden), wie die Welt funktioniert. Besonders eine innere Glaubwürdigket hinsichtlich eines wissenschaftlich begründbaren, höheren Konzepts hat sich durch alle Serien und Filme gezogen. Beamen, Warp-Antrieb oder auch Schiffs-Design waren nicht zufällig oder beliebig, sondern in sich schlüssig und funktional. Hinzu kommt noch ein historischer und gesellschaftspolitischer Kanon, der sich unter anderem in den Ursprüngen und Idealen der Förderation zeigte. Ganz zu schweigen von fiktionalen Sprachen wie dem Klingonisch. Star Trek: Into Darkness ist dies alles bis auf die bekannten Charaktere und ein paar Key Visuals wie der Enterprise fast komplett egal.

Beliebiges Transwarp-Beamen von Planet zu Planet? Wo sind die Schilde und Phaser-Strahlen der Schiffe? Die Enterprise in der Atmosphäre, unter Wasser? Orbitale Verteidigungssysteme der Förderation gibt’s nicht? Ein deutlich größeres Schiff als die Enterprise kann von einem Mann gesteuert werden? Wenn die Gravitations-Systeme ausfallen, dann schwebt man nicht in der Schwerelosigkeit sondern stürzt quer durch ein flippendes Labyrinth? Warum hat der Maschinenraum eigentlich die Anmutung einer Ölraffinerie und sieht auch in seiner exponentiellen Größe so garnicht nach dem aus, was die Serien und Filme über Jahrzehnte als technologisches Herzstück etabliert haben?

Warum ist dies alles der Abrams/Lindleof-Gang egal? Weil ansonsten die szenischen Überleitungen nicht schnell genug wären. Weil die High Concept-Regeln, die Star Trek über Jahrzehnte aufgestellt hat und dieses Universum stets ausgezeichnet haben, hier nicht gelten dürfen, weil sie auf dem Altar der Beliebigkeit geopfert werden um sich den diktatorischen Regeln eines überhasteten Action-Films unterzuordnen. Warum sieht der Warpkern so aus, wie er aussieht? Weil hier an eine wissenschaftliche Glaubwürdigkeit eine Rolle gespielt hat? Nein, damit Kirk am Schluss dagegen treten kann um wieder einmal das Schiff zu retten. Faul und ignorant sind sie, die Autoren, die nur noch so etwas auf diese Weise für sich zurecht schreiben und gleichzeitig auf das Schlimmste eine der bedeutensten und wichtigesten Franchises des Science Fiction-Genres kannibalisieren.

„…no man…“

Die Vier Apokalyptischen Reiter der Nerd-Kultur

Abrams/Lindleof/Orci/Kurtzman sind die vier Apokalyptischen Reiter der SF-Nerd-Kultur. Transformers, Prometheus, jetzt Star Trek und morgen Star Wars: alles massentauglich, leicht zugänglich, teils dumm wie Brot, ohne große Ideen oder Visionen dahinter, ohne Risiko, mainstreamisiert, actionüberladen, simpelst gestrickt… Die Emotionen-Sülze drübergelehrt, die Zitaten-Orgel angeworfen, Effekte reingeschissen… alles durchgeschüttelt, gerührt und fertig ist das gestriegelte Entertainment-Produkt, auf das zufrieden grinsende Studiobosse wieder im Geld baden und ihren Lakaien auf die Schultern klopfen und die Abrams/Lindleof/Orci/Kurtzman-Stümper glauben auch noch, sie hätten IRGENDETWAS geschaffen, erreicht, hervorgebracht.

Star Trek: Into Darkness ist ein Angriff der Märkte auf eine der größten Nerd-Hochburgen. Die vermeintliche Uncoolness eines Nerdiversums wird in der Substanz erodiert und durch die vermeintliche Coolness einer stakkatohaft-überhitzten Action-Reißers mit der mainstreamisierten Sience-Fiction-Attitüde eines etablierten Nerdiversum ausgehöhlt.

Star Trek ist dank der Abrams/Lindelof-Gang zur hohlen Marketing-Hülle verkommen, die einfach noch ein Weilchen weiter gemolken wird. Mit dem, worin sich dereinst die Trekkies verliebt haben, hat dies nichts mehr zu tun. Umso schlimmer eigentlich, dass dank visionsloser Ignoranten eine ganze junge Generation mit einem völlig verfälschten und entstellten Bild von Star Trek aufwachsen muss.

„…has gone before.“

1 / 10

Fazit von Spenz

Kinobesucher, die mit Star Trek bisher nichts anfangen konnten, werden den Film wohl sehr mögen, vor allem wenn sie dem repitativen Action-Gehopse im Weltall etwas abgewinnen können und Kirk und Co mit Nostalgie und milder Belustigung begegnen. Trekkies gefällt diese Fortsetzung, die sich ohne Zweifel um einen qualitativen Fortschritt zum Vorgänger bemüht, vielleicht sogar auch. Mir aber nicht, auch wenn ich natürlich zugeben muss, dass man gewisse Qualitäten wie eine annähernd perfekte Wahl der Darsteller oder die außerordentlichen Effekte kaum zu leugnen sind. Ich halte aber Star Trek: Into Darkness für eine Enstellung all dessen, was Star Trek als Phänomen über Jahrzehnte hinweg in zig Serien und Filmen so wichtig und besonders gemacht hat. Gene Roddenberrys Vision wird hier nicht verstanden oder bewusst ignoriert.

Was bleibt ist eine massentaugliche, marktgerechte, leicht konsumierbare Hülle, die mit der auszulutschenden Marke Star Trek beklebt wurde und alle Essenz des Genres der Science-Fiction, den Traum eines Utopia von Übermorgen, einem Abenteuer in den Sternen, einem technologisch-wissenschaftlichen High Concept und ein gewisses Maß an Skurrilität verloren hat.

Was macht einen Nerd, einen Geek wirklich aus? Dass er (oder sie) eine fiktionale Welt für sich entdeckt, alle Geschichten, alle Figuren darin liebt, sich darin verliert, die Komplexität darin begreift, sich alles zu eigen macht und zu einem Mitverehrer, einem Mitverschworenen in einer globalen Gemeinschaft wird. Außenseiter mögen wohl häufig weder diese Welt (respektive diese Welten), noch die begeisterten Nerds verstehen, weil es hier um echte Hingabe geht, Hingabe an eine Idee, an die man glauben kann, in die man flüchten kann, mit der man sich abgrenzen kann, auch und gerade weil hier nichts leicht zu verstehen, schnell zu konsumieren ist, weil hier nichts marktgerecht erpresst und unbeständig vergänglich vermittelt wird. Es geht um die Substanz in ganzen Universen, die von Geschichtenerzählern geschaffen wurden, von Visionären, von Künstlern, die ihren Universen echtes Leben einhauchen, nicht weil sie damit Geld verdienen wollen, sondern weil sie von Leidenschaft getragen symbolische Spielplätze der Fantasie und der Träume schaffen.

Star Trek: Into Darkness ist ein Angriff auf die Nerd-Kultur und eine regelrechte Vernichtung des Phänomens Star Trek. Dies mag vielen egal sein, viele sehen dies wohl anders, aber für mich hat Star Trek nach bald 50 jahren sein vorläufiges, sehr unschönes und bedauerliches Ende gefunden.

Immerhin bleibt uns aber all das, was Gene Roddenberry über so viele Dekaden hinweg zuvor geschaffen hat und dies kann der Welt niemand mehr rauben…

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