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X-Men: Erste Entscheidung

Eigentlich hat alles 1963 angefangen. Und zwar im September selbigen Jahres erschien das allererste X-Men-Comic. Die Legenden dieses Mediums mit den Namen Stan Lee und Jack Kirby waren die Schöpfer der Mutanten, die von Professor X und Magneto angeführt um das Schicksal der Welt streiten. Im Jahre 2000 kam schließlich die erste Verfilmung von Regisseur Bryan Singer(Die üblichen Verdächtigen, Superman Returns) in die Kinos. Patrick Stewart und Ian McKellen haben darin die Hauptrollen als die ewigen Kontrahenten, während für Hugh Jackman als Wolverine seine eigentliche Karriere in Hollywood begann. Die Produktion kam sehr gut bei Kritik und Publikum an und so folgte 2003 die noch fulminantere Fortsetzung. Der Abschluss der Trilogie 2006 war jedoch nach dem Wechsel des Regisseurs deutlich durchwachsen. Ebenso konnte das Spin-Off Wolverine (2009) auch nicht wirklich überzeugen.

Als einer der ersten Sommer-Blockbuster hatte nun X-Men: Erste Entscheidung erst kürzlich Premiere. Wie der Titel bereits vermuten lässt, handelt es sich bei diesem neuen Ableger der Franchise um ein Prequel, welches von den Anfängen der schließlich verfeindeten Mutanten Charles E. Xavier und Erik Lehnsherr erzählt. Die ersten Einspielergebnisse sowie die Kritiken aus Übersee ließen mich vor meinem Kinobesuch auf einen Popcorn-Comic-Film der intelligenteren Sorte hoffen, was auch fast zutraf…

„Peace was never an option.“

Freaks und Atombomben

Die allererste Szene aus X-Men: Erste Entscheidung sollte den Kennern der Film-Reihe bekannt vorkommen. Man sieht Erik Lehnsherr (Michael Fassbender) als Kind, wie er in einem Konzentrationslager in Polen des Jahres 1944 erstmals seiner Kräfte gewahr wird. Der sadistische Wissenschaftler Klaus Schmidt (Kevin Bacon) führt grausame Experimente an Erik und tötet schließlich auch seine Mutter. Zur gleichen Zeit etwa enttarnt der junge Charles E. Xavier (James McAvoy) eine Einbrecherin mit Hilfe seiner telepathischen Kräfte. Diese ist ebenso Mutant und beide freunden sich an.

Jahre später, genauer gesagt 1962, begibt sich Erik auf einen brutalen Rachefeldzug gegen seine einstigen Peiniger. Er findet auch Schmidt wieder, der sich inzwischen Sebastian Shaw nennt. Es stellt sich heraus, dass er ebenfalls ein Mutant ist und andere, ‚ähnliche Begabte‘ um sich geschart hat. Sie können fliehen, aber Erik trifft nun erstmals auf Charles, die nun so zu Verbündeten werden.

Shaw verfolgt keinen geringeren Plan, als den 3. Weltkrieg auszulösen, indem er die Kuba-Krise anzettelt. Den nuklearen Holocaust würden nur die Mutanten überleben, die ihre speziellen Fähigkeiten durch die Veränderung ihrer Gene, ausgelöst auch durch atomare Strahlung, erhalten haben. Mit Unterstützung der Regierung und der Rekrutierung neuer, junger Mutanten wollen Erik und Charles sich Sebastian Shaw und den anderen Widersachern entgegen stellen. Auf Kuba selbst kommt es schließlich zum spektakulären Showdown…

„We have it in us to be the better men. – We already are.“

Die inneren Werte

Es sei gleich gesagt, dass dies ein durchaus gelungener Neustart der X-Men-Franchise ist. Ein unterbelichteter Mainstream-Trash (Grüßen an Michael Bay) mit zu viel Budget bekommen wir hier glücklicherweise nicht präsentiert. Der Fokus wird nämlich eindeutig auf die Figurenentwicklung gelegt, auf die einzelnen Charaktere selbst. Dies geschieht überaus glaubwürdig und bestimmende Details werden nicht vergessen. In vielen, oft sehr schönen Szenen wird chronologisch dargestellt, wie Erik und Charles zu ihrer Gesinnung kamen und wie sie schließlich zu Antagonisten wurden. Der gesamte dramaturgische Bogen wird gekonnt vom Anfang des Films bis zum Ende hin durch gespannt, was in klug gewählten Szenen deutlich wird. Natürlich gibt es auch reichlich Action und die einzelnen Mutanten dürfen oft genug ihre ‚coolen‘ Fähigkeiten zum Besten geben, aber selbst dabei und besonders auch in den oft sehr feinen Dialogen merkt man, dass den Machern hier die Geschichte selbst und ihre Protagonisten wichtiger waren, als eine schnelle Effekt-Ansammlung mit coolen Sprüchen zwischendurch. Bezeichnend dabei, dass ein wenig Sozialkritik immer wieder zwischen den Zeilen zu finden ist, denn schließlich geht es ja auch um eine Parabel über Ausgestoßene und Randgruppen.

Dabei beeindrucken besonders die Hauptdarsteller. Allen voran Michael Fassbender, den ich allein durch Hunger (2008) sehr zu schätzen gelernt habe, schafft es tatsächlich, der ‚Comic-Figur‘ Magneto eine beeindruckende Tiefe und diese stete innere Zerrissenheit zu verleihen. Der Fokus der Handlung und wohl auch irgendwie die Anteilnahme des Publikums liegt insgesamt am meisten auf ihm. James McAvoy als Professor Xavier verkörpert den Gegenpart aber ebenso gelungen, auch weil er anfangs eine etwas joviale Gelassenheit hat, andererseits aber die Last der Verantwortung und sein stets Streben nach dem Guten schnell deutlich spürbar wird. Der fiese Bösewicht Sebastian Shaw wird von Kevin Bacon dargestellt, der schon eine längere Karriere in Hollywood mit durchaus komplexen Charakter-Rollen hinter sich hat. Hier ist er praktisch die perfekte Mischung aus einem Superschurken und dem typischen Bösewicht aus James Bond-Filmen. Und ein Nazi war auch noch! Recht viel übler geht es eigentlich nicht. Aber er schafft es dennoch, dass er nicht zu einer lächerlichen Karikatur verkommt, sondern schlicht den nötigen Ernst für die innere Glaubwürdigkeit des fiktionalen Settings aufbringt. Mit einer gehörigen Portion sadistischer Süffisanz natürlich. January Jones als Emma Frost sei auch noch extra erwähnt, denn der Star aus der Serie Mad Men macht im Ensemble eine ebenso ausgezeichnete Figur. Allerdings, und das muss auch gesagt sein, kommt der Rest des Casts, der aus vielen neuen Gesichtern besonders junger Darsteller als eben besonders junge Mutanten besteht, nicht so recht an die Leistungen ihrer ‚großen‘ KollegInnen heran. Da reiht sich leider eine blassere Gestalt an die Nächste, was etwas zu sehr an typische Teenie-Soaps erinnert. Es mag Ausnahmen geben, wie Jennifer Lawrence als Mystique, aber selbst die geht insgesamt etwas unter. Ganz zu schweigen von Rose Byrne, die als CIA-Agentin zwar immer irgendwie mit dabei ist, aber im Grunde vergessenswert ist.

„You want society to accept you, when you can’t even accept yourselves?“

Der mutierte James Bond

X-Men: Erste Entscheidung lässt recht gekonnt das typische Flair der 60er Jahre wiederaufleben. Die Kostüme und Settings erinnern oft genug an ältere James Bond-Streifen. Man mag teilweise auch eine gewisse ‚Unbeschwertheit‘ oder gar .Leichtfüßigkeit‘ bemerken, die auch zu diversen Genre-Filmen jener Dekade passt, wenn diese mich auch ein wenig gestört hat, weil sie den Ernst der Handlung etwas aufbricht. Der Humor wirkt zudem öfters mal etwas deplatziert.

Insgesamt funktioniert aber die Kombination aus Mutanten-Krieg und drohendem 3. Weltkrieg während der Kuba-Krise erstaunlich gut und der Kniff, dass es letztlich nicht die Menschen sind, die über den Ausgang entscheiden, darf als gewitzte Idee bezeichnet werden. Dabei kann sich der Showdown, trotz etwas schwächelnder Effekte, durchaus sehen lassen und der Einsatz von Magnetos Kräften darf als großes Spektakel bezeichnet werden. Wenn auch sein bester ‚Auftritt‘ eine ganz bösartige Perfidie hat, bei der es auch nicht viel an Metall braucht. Überhaupt bekommen wir hier endlich wieder einmal ganz ‚unaufgeregte‘, aber gekonnt inszenierte Action-Szenen präsentiert, denn die Wackelkamera oder viel zu schnelle Schnitte bleiben uns bei X-Men: Erste Entscheidung erspart. Dies ist ein eindeutiger Plus-Punkt dieser Produktion. Und nebenbei bekommt man übrigens viele nette Anspielungen an die Vorgänger-Filme und mehrere kleine Gastauftritte wie jenen von Hugh Jackman spendiert.

„Tomorrow, mankind will know that mutants exist. They will fear us, and that fear will turn to hatred.“

7 / 10

Fazit von Spenz

X-Men: Erste Entscheidung ist erstmals ein gelungener Neustart der Filmreihe. Als Prequel funktioniert er wirklich hervorragend. Der Comic-Blockbuster legt zudem den Fokus auf die Charaktere, die Figurenentwicklung und die Geschichte selbst, was er mit überzeugenden Dialogen und vielen schön inszenierten Szenen beweist. Auch der tolle Cast macht viel aus. Besonders Michael Fassbender als Magneto überzeugt auf ganzer Linie, während sich Kevin Bacon und James McAvoy mit ihren schauspielerischen Leistungen im Ensemble gut einreihen. Die Action stimmt, die Effekte sind zumindest solide.

Etwas deplatzierter Humor, die reichlich blassen Nebendarsteller, ein dramaturgisch etwas holpriger Durchhänger vor dem Mittelteil und eine insgesamt nicht immer ganz stimmige Inszenierung machen X-Men: Erste Entscheidung zu einem doch nicht ganz so tollen Schaugenuss. Empfehlenswert ist er, aber gerade an den für mich bisher besten Teil der Reihe, nämlich X-Men 2, kommt dieser nicht so ganz heran. Ein schöner Hollywood-Sommer-Blockbuster der gehobenen Mittelklasse, aber viel mehr eben auch nicht. Wobei das heutzutage eigentlich doch schon sehr viel ist…

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