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Drachenzähmen leicht gemacht

Mit Toy Story hat es begonnen. 1995 lieferte das innovative und schon damals mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Animations-Studio Pixar den allerersten komplett computeranimierten Spielfilm der Geschichte ab. Zwar gab es schon zuvor Kurzfilme mit derselben Machart und Spezialeffekte aus dem Computer wurden bereits erstmals Jahre zuvor in Produktionen wie Tron (1982) eingesetzt und etablierten sich schließlich gänzlich mit Jurassic Park (1993), aber voll digitalisierte siebenundsiebzig Minuten gab es davor noch nie zu sehen. Mit 1998 und den Filmen Antz und Das Große Krabbeln begann ein nicht unbedeutender Konkurrenzkampf zwischen Pixar und Dreamworks Animation um den besseren, den erfolgreicheren Streifen aus dem Rechner. Lange Zeit waren die voll computeranimierten Filme fast gänzlich auf Kinder- und Familienunterhaltung ausgerichtet, wobei die Besseren auch genug Spaß für Erwachsene boten, alleine schon durch gewitzte, popkulturelle Referenzen. Ausflüge in deutlich ernsthaftere Gefilde wie Final Fantasy: Die Mächte in dir (2001) oder auch Die Legende von Beowulf (2008) floppten entweder kläglich oder waren nur mäßig erfolgreich. Avatar (2009) könnte da möglicherweise eine Trendwende auslösen, wobei dieser aber in vielen Szenen noch auf reale Darsteller und kombinierte Aufnahmen setzt. Wie auch immer, jedenfalls gelang es Dreamworks Animation 2010 mit Drachenzähmen leicht gemacht (in den Kinos in 3D) einen Überraschungshit zu landen und seit kurzem darf man diesen auf DVD und Blu Ray erwerben. Nach den zum Teil euphorischen Kritiken im Vorfeld war ich gespannt auf die Beschauung.

„Remember, a dragon will always, *always*… go for the kill.“

Wikinger und Drachen

Irgendwo im frostigen Norden ist auf der Insel Berk ein an sich beschauliches Wikingerdorf angesiedelt, wenn da nicht die regelmäßig einfallende Plage von allerlei Drachen-Gezücht wäre, das nicht nur gerne Häuser in Schutt und Asche legt, sondern auch den örtlichen Vieh-Bestand dezimiert und gelegentlich segnet dabei auch ein Einwohner das Zeitliche.

Bei einer erneuten Attacke des geflügelten Ungeziefers erweist sich der recht schmächtige Hiccup mit seiner Ungeschicktheit fast als so großes Problem für das Dorf wie eines der Drachenbiester. Zu allem Überfluss ist er auch noch der Sohn des Wikinger-Häuptlings Stoick, was die Enttäuschung für seine Sippe nur umso größer macht. Jedoch gelingt es ihm in jener Nacht mit einer Seilschleuder-Maschine den wohl mysteriösesten  und gefährlichsten Drachen zu fangen, nämlich einen ‚Night Fury‘. Dieser stürzt aber in einem weiter entfernten Waldstück ab und niemand glaubt Hiccup seine Geschichte.

Am nächsten Tag macht er sich allein auf den Weg und findet das schwarze Monstrum noch betäubt und gefesselt im Wald liegend. Hiccup will ihn wie ein echter Wikinger töten, bringt es aber nicht übers Herz und befreit den Drachen stattdessen. Wie sich schnell herausstellt hat der Night Fury eine schwere Verletzung davon getragen und da ihm ein Flügel am Schwanzruder fehlt, kann er sich nicht mehr in die Lüfte schwingen. So bleibt er gefangen in einem Talkessel und beginnt langsam auch an Hunger zu leiden.

Hiccup gelingt es mit Fischen und Zuwendungen sich  mit dem Drachen anzufreunden. Dank seines technischen Verständnisses bastelt er für diesen eine Prothese und ein Reitgeschirr zusammen. Von nun an fliegen sie gemeinsam. Einen Namen bekommt das einst so gefürchtete Biest natürlich auch, nämlich ‚Toothless‘.

Je mehr Hiccup über seinen geflügelten Freund erfährt umso leichter fällt ihm inzwischen das Training zum Bekämpfen der Drachen in der Arena des Dorfes. Allein das Kraulen an der richtigen Stelle lässt die Ungetüme betäubt am Boden einschlafen. Anfangs noch geschmäht, wird er so zum beliebten  Vorbild für seine jugendlichen Kollegen. Nur die von ihm heimlich verehrte Astrid ist  immer eifersüchtiger auf sein Können.

Sie verfolgt ihn in den Talkessel und entdeckt sein Geheimnis. Ehe sie jedoch die für sie erschreckende Wahrheit preis geben kann, erkennt sie bei einem gemeinsamen Flug auf dem Drachen, dass die so sehr gefürchteten Monster im Grunde auch recht freundlich sein können. Zudem wird den beiden das eigentliche Geheimnis für die Aggression der Drachen auf der Insel der zu Unrecht gefürchteten Bestien offenbar.

Hiccup muss sich der finalen Prüfung in der Arena stellen und einen Drachen töten, was dieser natürlich nicht tun kann. Vielmehr beginnt er diesen zu zähmen, was aber seinen Vater beim Anblick dessen so wütend macht, sodass das Biest aufgeschreckt wird und Hiccup zu töten versucht. Toothless spürt instinktiv, dass sein Freund in Gefahr ist und greift vor aller Augen der Dorfbewohner in den Kampf ein. Stoick ist schwer enttäuscht von seinem Sohn und verstößt ihn. Er ruft alle Wikinger zusammen und mit dem gefangenen Toothless, der den Weg zum Drachennest kennt, machen sie sich mit ihren Schiffen auf den Weg über das Meer um die für sie nach wie vor tötenswerten Monstren allesamt zur Strecke zu bringen.

Hiccup gibt jedoch nicht auf und mit Astrid und den anderen Jugendlichen beschließt er einen Plan, der Drachen und Menschen das Leben retten soll…

„*Night fury*“

Gefallen ohne Gefälligkeit

Drachenzähmen leicht gemacht funktioniert erstaunlich gut als Film. Das liegt wohl erstmals daran, dass er eigentlich alles hat, was Spaß macht: coole Drachen, tolle Effekte, glaubhafte Charaktere, eine flotte Handlung und der Humor stimmt praktisch auch immer. Dazu kommen die zum Teil wirklich spektakulären Flugsequenzen und das Finale wartet sogar mit einer regelrecht bombastischen Inszenierung auf. Dabei wirkt alles stets etwas frischer und origineller, als in vergleichbaren Animationsfilmen.

Was noch dazu kommt sind wirklich gelungene Designs, wie zum Beispiel die ganze Schar der verschiedensten Arten von Drachen. Die erinnern zwar in ihrer Präsentation wohl auch nicht zufällig ein wenig an Pokémon und dabei kann man auch schon die Merchandising-Glocken klingen hören, aber natürlich ist es auch sehr leicht dabei, schnell in begeisterte Diskussionen zu verfallen, welchen der geflügelten Kerle man am liebsten hat (dies dürfte zumindest für Kinder gelten). Toothless selbst wirkt dabei so elegant wie gefährlich. Mich hat er mit dem schwarzen Schuppenpanzer irgendwie an das legendäre Flugzeug ‚Blackbird‚ erinnert. Wunderbar umgesetzt in der mimischen Animation der Figur selbst (nicht zuletzt mit den Augen und den ‚Ohren‘) ist die emotionale Bandbreite des Drachens. Nicht zuletzt beeindruckt auch die Stilsicherheit in der Visualisierung der Welt der Wikinger.

Aber auch sonst besticht Drachenzähmen leicht gemacht durch eine wunderbare Figurenzeichnung. Sämtliche Charaktere sind gut ausgearbeitet, sind glaubhaft in ihrer Motivation und allein durch ihr spezifisches Äußeres sind typische Eigenschaften leicht zuordenbar. Dies mag vielleicht hie und da auch gewisse Klischees bedienen, aber diese wirken nie zu platt oder zu aufdringlich.

„Everything we know about you guys is wrong.“

Vater und Lieblingstier

Die Geschichte behandelt im Grunde zwei, oder eher drei Kernthemen. Einerseits geht es um eine klassische Vater-Sohn-Beziehung. Hiccup muss sich als würdiger Nachfahre seines berühmten und geachteten Wickinger-Häuptlings Stoick behaupten. Da er bisher meist nur enttäuscht hat, ist es sein Kampf um Respekt, der viel von der Handlung einnimmt. Ebenso aber gilt es für Stoick, seinen Sohn anzuerkennen und zwar nicht für das, was er sein sollte, sondern für das, was er ist.

Hinzu kommt natürlich auch noch das Kernelement einer Freundschaftsbeziehung zwischen einem Jungen und seinem Lieblingstier. In der Annäherung und in der Anerkennung des eigentlichen Wesens des Drachens Toothless erkennt Hiccup erst sein eigenes Selbst und sein Potential, das sich so entfalten kann. Im Grunde wird er zu einem ‚Drachenflüsterer‘, was aber als Idee wirklich gewitzt ist. Dafür erntet er schließlich nicht nur Anerkennung, sondern verändert auch die Gemeinschaft, der er angehört, von Grund auf. In gewisser Weise muss Hiccup erst seinen Glauben, seine Stärken finden, ehe er sich als Individuum behaupten kann.

„Okay, I admit it. This is pretty cool. It’s… *amazing*.He’s amazing.“

Sex mit Behinderung

Und eigentlich ist es ja auch eine Geschichte vom Erwachsenwerden, von der Loslösung vom Vater und vom sich behaupten im Rollenbild eines Mannes in einer sozialen Wirklichkeit. Wobei, wenn man jetzt ganz freudianisch wäre und das Drachenreiten als Sexualakt interpretiert, dann… aber ich glaube das führt jetzt bei einem in erster Linie für Kinder konzipierten Film etwas zu weit (wiewohl man den Film durchgehend auf der Ebene überraschend deutlich argumentieren könnte). Wobei das Mädchen bekommt er dann natürlich auch am Schluss…

Ein Thema behandelt Drachenzähmen leicht gemacht zudem auf recht unerwartete Weise, nämlich jenes der Körperbehinderung. Und dies mehrfach und gespiegelt in den verschiedenen Figuren. Selbiges geschieht aber so unverkrampft, dass man dieser Produktion fast dankbar ist, dies einmal in einem Mainstream-Streifen für ein vorwiegend junges Publikum auf die Art zu sehen. Hiccup verliert nämlich am Ende zwar etwas, gewinnt aber dabei soviel mehr.

„Oh, I’m hurt! I am very much hurt!“

Stimmen und Schauspieler

An dieser Stelle sei der wirklich gelungene (englische) Voice-Cast noch erwähnt, der anders als sonst üblich in vergleichbaren Animationsfilmen aus der Liga, fast gänzlich auf große Namen aus Hollywood verzichtet. Bis auf Gerard Butler (300, Herrschaft des Feuers), der auf wirklich überzeugende Weise den Wikinger-Häuptling Stoick stimmlich mimt, sind nämlich alle anderen Darsteller höchstens aus Nebenrollen und aus eher kleineren Produktionen bekannt. Weder ein Jay Baruche als Hiccup noch eine America Ferrara als Astrid sind wohl selbst wirklich aufmerksamen Kino- und TV-Schauern (wie mir) sonst wo mal viel untergekommen. Aber sie machen ihren Job allesamt wirklich toll und dies macht das englische Original des Films zu einem echten Genuss.

„Thank you, for summing that up.“

8 / 10

Fazit von Spenz

Drachenzähmen leicht gemacht ist an und für sich ein ganz wunderbarer Animationsfilm, der mit einer tollen Geschichte, glaubhaften Figuren und großer Handwerkskunst in Sachen digitaler Effekte aufwarten kann. Ja, die vielen Drachen sind auch cool designt. Er ist insgesamt flott inszeniert und wird zum Finale sogar richtig bombastisch, macht aber auch in den leisen Zwischentönen alles richtig. Der Humor stimmt, selbst wenn die ganz großen Lacher vielleicht etwas rar gestreut sind. Dabei ist er in weiten Teilen originell und gewitzt, wartet sogar mit einigen selbst für mich überraschenden Twists auf. Dass er sogar unter anderem Körperbehinderung zum Thema macht ist in einer Mainstream-Produktion wie dieser wirklich schön anzusehen.

Warum mich persönlich der Film dann doch nicht gänzlich zu begeistern weiß, kann ich aber nur schwer erklären. Vielleicht ist er doch etwas zu sehr Kinderunterhaltung, vielleicht konnte ich mich mit dem Animationsstil doch nicht ganz anfreunden, vielleicht sind gewisse Plot-Elemente doch schon etwas zu oft in der Filmgeschichte in nicht unähnlicher Weise abgehandelt worden. Außerdem hat mich Toothless vielleicht auch ein klein wenig zu sehr an das außerirdische, wenn auch blau bepelzte Knäuel aus dem 2D-Animationsstreifen Lilo und Stitch (2002) von Disney erinnert.  

Objektiv betrachtet ist der Film vermutlich doch deutlich besser, als ich ihn hier bewerte, aber so vollkommen mitnehmen wollte er mich wie gesagt nicht. Aber vielleicht ändert sich das ja noch und allen anderen kann ich Drachenzähmen leicht gemacht ohnehin nur wirklich sehr empfehlen.

Blu Ray-Extras:

Bild und Ton sind wirklich glasklar und gerade bei einem computeranimierten Film wie diesen kommen die vielen schön gemachten Texturen oder die hervorragenden Beleuchtungseffekte ganz wunderbar rüber. Besonders auf einem großen Flachbildschirm machen speziell die vielen Flugsequenzen einiges her, selbst wenn nur die wenigsten diese, anders als im Kino, in 3D genießen können.

Das bei den Extras fast schon zum Standard gewordene Audiokommentar mit den beiden Regisseuren und der Produzentin ist wirklich äußerst informativ und sehr anhörenswert. Dazu kommen noch zwei solide Dokus, nämlich einen über den Voice-Cast und eine über die Entstehung der Animationen aus dem Rechner.

Sehr interessant sind zudem noch die letzten beiden Features: der Trivia Track und die Animator’s Corner. Bei Ersterem werden während des Films kleine Texttafeln eingeblendet, die über die Hintergründe der Produktion und interessante Details informieren. Beim Anderen wird über den Film-Screen ein eigener kleinerer Screen in der rechten, unteren Ecke gelegt, wo man mit einem Audio-Track oder direkt in eingeblendeten Interviews die jeweilige Szene als Storyboard, während der Entstehung der Computeranimation und dergleichen aufgeschlüsselt bzw. erklärt bekommt. Alles in allem sind die Extras zwar nicht überreichlich vorhanden, aber gelungen und informativ.

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